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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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blamieren. Mutter hatte mich nie etwas über Wein gelehrt. Wir tranken nicht. Wir tranken nie. Der Champagner zu ihrem fünfzigsten Geburtstag war die Ausnahme gewesen. Da wollte Mutter mal etwas ganz Verruchtes tun. Sie hat aber nur genippt.
    Das war typisch für Mutter: etwas Verruchtes tun wollen und dann nur nippen. Ansonsten war ihr Standpunkt: Alkohol löst die Zunge, und wer weiß, was noch.
    Inmitten dieser Überlegung hörte ich, wie sich ein Schlüssel imSchloss drehte. Ich konnte eben noch die Hände vor meine Boxershorts legen, als eine Frau vor mir stand. In meinem eigenen Apartment! Einfach so!
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte sie mit rauer Stimme.
    »Ich wohne hier!«
    Das war Hausfriedensbruch, und Hanna war nicht im Geringsten verlegen!
    Ich hatte sie nämlich sofort erkannt: die Brille, die Fülle, der dunkle Bob. Hanna war eine der beiden laut Mittagskurier besten Freundinnen der Roten Müllerin. Leider die andere. Ich zog, auf einem Bein hüpfend, meine Hose an und bat Hanna, sich zu setzen. Sie blieb stehen und betrachtete mich staunend, als sei ich ein Berg, dessen Gipfel unverzüglich zu besteigen sei. Dann sah sie sich um, sah die Artikel an der Wand, setzte sich hin und weinte. Ein merkwürdiges Bild, als bräche ein Gladiator, statt zu kämpfen, unvermittelt in Tränen aus.
    Ich reichte Tempos, kochte Kaffee und redete beruhigend auf Hanna ein. Dass ich mir schon gedacht hatte, dass sie noch einen Schlüssel hätte, und mich freuen würde, sie kennenzulernen. Dass ich die Artikel über meine Vormieterin aufgehoben hätte, weil ich Polizist sei und mich der Fall beschäftigte. Ich log wie automatisch. Einem Journalisten hätte sie nie vertraut. Die Polizei hingegen, dein Freund und Helfer.
    »Es ist so viel Schund geschrieben worden, Schund!« Hanna putzte sich die Nase. Aber wie! Veronika, die andere Freundin der Roten Müllerin, würde das Taschentuch sicher nicht mit beiden Zeigefingern synchron in die Nasenlöcher stoßen, um diese tüchtig auszuwischen.
    »Die haben ja alle keine Ahnung!«
    Ich setzte mich neben sie. »Wer? Wovon?«
    Misstrauisch sah Hanna mich an, ihre verquollenen Augen hinterden dicken Gläsern schnellten in rasendem Tempo zwischen meinen Augen hin und her, hin und her, hin und her. Sie kenne mich ja gar nicht, und überhaupt, sie könne das alles auch nicht beweisen. Es gebe Dinge, die sie nicht sagen könne, niemandem sagen könne. Trotzig fügte sie hinzu: »Schon gar nicht einem Staatsdiener.«
    »Aber ich kläre den Fall auf«, rief ich aus, »mir können Sie es doch erzählen.«
    Ich gebe zu, es fing an, mir Spaß zu machen. Langsam begann ich, die Regeln meines neuen Universums zu begreifen. Man musste flexibel sein, wann immer es die Situation erforderte. Auch mal Eierkäufer, auch mal Polizist sein. Sobald ich mir eine Rolle geschaffen hatte, ging ich darin auf. Nur die Rolle des gehorsamen Sohnes, die wollte ich nicht mehr spielen.
    Hanna leckte sich über die Hasenzähne und atmete tief ein. »Der war’s!«, rief sie aus und zeigte auf Müller. »Der war’s!«
    »Was war er?«
    »Der ist schuld an der ganzen Sache!«
    Meinte sie mit der ganzen Sache den Tod der Roten Müllerin? Hielt sie Müller für den Mörder? Oder war ihre Anklage mehr symbolischer Natur? Männer wie Müller töten Frauen wie die Müllerin. M – eine Stadt sucht einen Mörder. Das klang mir zu einfach. Hanna mochte Müller nicht, hier schien ein Eifersuchtsproblem vorzuliegen, ein Fall von Liebesverlust und Liebesentzug, eine Rivalität, die in einer haltlosen Mordbeschuldigung gipfelte. Felicitas Müller, so erfuhr ich, hatte ihre Freundin Hanna offenbar davon in Kenntnis gesetzt, dass Müller sie hässlich fand. Wie alle hässlichen Menschen war sie nicht gut auf diesen Umstand zu sprechen. Außerdem, das wiederholte Hanna mehrfach, sei Müller ja nun auch keine Schönheit, innen wie außen, ganz im Gegenteil, er sei zwar ein Sugardaddy, wie er debütierenden Künstlerinnen oft gelegen kam, aber jenseits davon sei er ein »Luftikus, der nur aus der Summe seinerDefekte bestand«, ein »seichter, röckejagender Egomane mit mehr Glück als Verstand«. Ich war geistesgegenwärtig genug, diese Bemerkungen zu notieren. Entweder sie zitierte Felicitas, oder sie hatte ihren Verstand schärfen, ihre Sprache schulen, eine pointierte Feindseligkeit entwickeln müssen, um auch ohne ansprechendes Äußeres einen Platz in der Welt zu erkämpfen. Hanna erinnerte mich an die Lehrerin in

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