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Zur besonderen Verwendung

Zur besonderen Verwendung

Titel: Zur besonderen Verwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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mehr zu den­ken. Ich wur­de all­mäh­lich ner­vös.
    »Wun­der­voll, Mis­ter Kon­nat. Sie sind wirk­lich ge­ne­sen, das be­wei­sen Ih­re Wor­te. Glau­ben Sie mir, jun­ger Mann, ich ha­be schon an­de­re Sze­nen er­lebt. Es war manch­mal grau­en­haft.«
    »Wie mei­nen Sie das?« flüs­ter­te ich.
    »Ma­chen Sie sich kei­ne Ge­dan­ken«, klang ih­re tie­fe Stim­me aus dem Laut­spre­cher. »Sie ha­ben es ge­schafft. Er­in­nern Sie sich bit­te an die Fach­ge­sprä­che. Ope­ra­tio­nen die­ser Art sind ge­fähr­lich. Al­ler­dings hat man Ih­nen aus ge­wis­sen Grün­den nicht sa­gen dür­fen, daß sol­che Ein­grif­fe bei achtund­neun­zig von hun­dert Fäl­len mit ei­ner ab­so­lu­ten geis­ti­gen Um­nach­tung en­den. Ver­ste­hen Sie?«
    O ja – ich ver­stand! Ich ver­stand plötz­lich nur zu gut. Auf­stöh­nend ließ ich mich in mein Kis­sen zu­rück­sin­ken. Sie schwieg, bis ich nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken bat:
    »Bit­te, schi­cken Sie Pro­fes­sor Ho­ram. Ich muß ihn drin­gend spre­chen.«
    »Selbst­ver­ständ­lich. Ich wer­de ihn so­fort be­nach­rich­ti­gen. Ha­ben Sie sonst noch Wün­sche? Er­fri­schun­gen spen­det Ih­nen der Ro­bo­t­au­to­mat. Sie brau­chen nur auf die Tas­ten zu drücken.«
    »Ja, ich weiß, Dan­ke! Üb­ri­gens, wie lan­ge ha­be ich ge­schla­fen?«
    »Fast fünf­zig Stun­den. Vor zwei Ta­gen la­gen Sie auf dem Ope­ra­ti­ons­tisch. Der Ein­griff wur­de in den frü­hen Mor­gen­stun­den des 12. Mai vor­ge­nom­men. Wir schrei­ben heu­te den 14. Mai 2002.«
    Ich nick­te und dach­te zu spät dar­an, daß die­se Be­we­gung mit Schmer­zen ver­bun­den war. Sie lach­te lei­se und er­mahn­te mich, ich sol­le nicht so un­vor­sich­tig sein. Da­nach schal­te­te sie ab. Das Fern­bild er­losch.
    Der 14. Mai 2002 war al­so an­ge­bro­chen. Dem­nach hat­te ich zwei Ta­ge und zwei Näch­te ge­schla­fen. Nach dem Stan­de der bio­me­di­zi­ni­schen Tech­nik zu ur­tei­len, muß­te ich schon wie­der so gut wie in Ord­nung sein. Die neu­en Zell­wachs­tumsprä­pa­ra­te lie­ßen auch schwers­te Ope­ra­ti­ons­wun­den bin­nen fünf­zig Stun­den ver­hei­len. Im­mer­hin ver­riet mir der auf­zu­cken­de Schmerz, daß ich doch nicht ganz wie­der­her­ge­stellt war.
    Ich lausch­te un­ge­dul­dig, doch Pro­fes­sor Ho­ram ließ auf sich war­ten. Er war ei­ner der be­kann­tes­ten Neu­ro­chir­ur­gen der Welt. Das wuß­te ich sehr ge­nau, und auch der Sta­ti­ons­schwes­ter muß­te es be­kannt sein. Den­noch blie­ben mir et­li­che Din­ge un­klar. Mir war, als hät­te mein Ge­dächt­nis ge­lit­ten. Das be­traf al­ler­dings nur die Ge­scheh­nis­se un­mit­tel­bar vor der Ope­ra­ti­on. Sonst konn­te ich kei­ne Lücke fest­stel­len. Ich wuß­te, wer ich war, was ich war und was ich zu tun hat­te.
    Ich war Thor Kon­nat, bei­na­he vierund­drei­ßig Jah­re alt, ge­bo­ren am 19. Ju­ni 1968 in ei­nem Land, was man zur Zeit mei­ner Ge­burt Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land nann­te. Mein Va­ter hat­te mir spä­ter oft­mals von ei­nem ge­teil­ten Land er­zählt, doch ich selbst konn­te mich nicht mehr dar­an er­in­nern. Schon bei mei­ner Rei­fe­prü­fung hat­te es die Bun­des­re­pu­blik nicht mehr ge­ge­ben. Sie war gleich vie­len an­de­ren Län­dern in der »Eu­ro­päi­schen Uni­on« auf­ge­gan­gen. Das war für mich al­lei­ne maß­ge­bend ge­we­sen. Da­mals, als sich die eu­ro­päi­schen Ein­zel­staa­ten zu ei­nem Bund zu­sam­men­fan­den, hat­te mich mein Va­ter in die USA ge­schickt. Ich soll­te Astro­nau­tik und Kern­phy­sik stu­die­ren. Sei­ner Mei­nung nach be­sa­ßen die Ver­ei­nig­ten Staa­ten die bes­se­ren Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten. Und so war ich ab­ge­flo­gen.
    Dann war al­les an­ders ge­kom­men, ganz an­ders. Zwei Wo­chen nach mei­ner Ab­rei­se ex­plo­dier­te das eu­ro­päi­sche Hall­mann-Atom­werk. Mein Va­ter war un­ter den zahl­rei­chen Op­fern. In­fol­ge der au­ßer­ge­wöhn­lich ho­hen ra­dio­ak­ti­ven Ver­seu­chung konn­te man erst Mo­na­te spä­ter dar­an ge­hen, die Ur­sa­chen der Ka­ta­stro­phe zu un­ter­su­chen. Nam­haf­te Kern­phy­si­ker hat­ten be­haup­tet, die neu­ar­ti­gen Kern­pro­zes­se wä­ren

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