Zur besonderen Verwendung
mehr zu denken. Ich wurde allmählich nervös.
»Wundervoll, Mister Konnat. Sie sind wirklich genesen, das beweisen Ihre Worte. Glauben Sie mir, junger Mann, ich habe schon andere Szenen erlebt. Es war manchmal grauenhaft.«
»Wie meinen Sie das?« flüsterte ich.
»Machen Sie sich keine Gedanken«, klang ihre tiefe Stimme aus dem Lautsprecher. »Sie haben es geschafft. Erinnern Sie sich bitte an die Fachgespräche. Operationen dieser Art sind gefährlich. Allerdings hat man Ihnen aus gewissen Gründen nicht sagen dürfen, daß solche Eingriffe bei achtundneunzig von hundert Fällen mit einer absoluten geistigen Umnachtung enden. Verstehen Sie?«
O ja – ich verstand! Ich verstand plötzlich nur zu gut. Aufstöhnend ließ ich mich in mein Kissen zurücksinken. Sie schwieg, bis ich nach einigen Augenblicken bat:
»Bitte, schicken Sie Professor Horam. Ich muß ihn dringend sprechen.«
»Selbstverständlich. Ich werde ihn sofort benachrichtigen. Haben Sie sonst noch Wünsche? Erfrischungen spendet Ihnen der Robotautomat. Sie brauchen nur auf die Tasten zu drücken.«
»Ja, ich weiß, Danke! Übrigens, wie lange habe ich geschlafen?«
»Fast fünfzig Stunden. Vor zwei Tagen lagen Sie auf dem Operationstisch. Der Eingriff wurde in den frühen Morgenstunden des 12. Mai vorgenommen. Wir schreiben heute den 14. Mai 2002.«
Ich nickte und dachte zu spät daran, daß diese Bewegung mit Schmerzen verbunden war. Sie lachte leise und ermahnte mich, ich solle nicht so unvorsichtig sein. Danach schaltete sie ab. Das Fernbild erlosch.
Der 14. Mai 2002 war also angebrochen. Demnach hatte ich zwei Tage und zwei Nächte geschlafen. Nach dem Stande der biomedizinischen Technik zu urteilen, mußte ich schon wieder so gut wie in Ordnung sein. Die neuen Zellwachstumspräparate ließen auch schwerste Operationswunden binnen fünfzig Stunden verheilen. Immerhin verriet mir der aufzuckende Schmerz, daß ich doch nicht ganz wiederhergestellt war.
Ich lauschte ungeduldig, doch Professor Horam ließ auf sich warten. Er war einer der bekanntesten Neurochirurgen der Welt. Das wußte ich sehr genau, und auch der Stationsschwester mußte es bekannt sein. Dennoch blieben mir etliche Dinge unklar. Mir war, als hätte mein Gedächtnis gelitten. Das betraf allerdings nur die Geschehnisse unmittelbar vor der Operation. Sonst konnte ich keine Lücke feststellen. Ich wußte, wer ich war, was ich war und was ich zu tun hatte.
Ich war Thor Konnat, beinahe vierunddreißig Jahre alt, geboren am 19. Juni 1968 in einem Land, was man zur Zeit meiner Geburt Bundesrepublik Deutschland nannte. Mein Vater hatte mir später oftmals von einem geteilten Land erzählt, doch ich selbst konnte mich nicht mehr daran erinnern. Schon bei meiner Reifeprüfung hatte es die Bundesrepublik nicht mehr gegeben. Sie war gleich vielen anderen Ländern in der »Europäischen Union« aufgegangen. Das war für mich alleine maßgebend gewesen. Damals, als sich die europäischen Einzelstaaten zu einem Bund zusammenfanden, hatte mich mein Vater in die USA geschickt. Ich sollte Astronautik und Kernphysik studieren. Seiner Meinung nach besaßen die Vereinigten Staaten die besseren Schulen und Universitäten. Und so war ich abgeflogen.
Dann war alles anders gekommen, ganz anders. Zwei Wochen nach meiner Abreise explodierte das europäische Hallmann-Atomwerk. Mein Vater war unter den zahlreichen Opfern. Infolge der außergewöhnlich hohen radioaktiven Verseuchung konnte man erst Monate später daran gehen, die Ursachen der Katastrophe zu untersuchen. Namhafte Kernphysiker hatten behauptet, die neuartigen Kernprozesse wären
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