Zur besonderen Verwendung
ein Mann, der infolge eines aus rätselhaften Umständen mißglückten Gehirneingriffes dem Wahnsinn verfallen ist, würde sich niemals für Napoleon und auch nicht für Ikarus halten, wenn Sie die Bemerkung gestatten. Er würde toben, seine Umwelt hassen und mit den Zähnen auf seine Wärter losgehen. Zufrieden?«
»Nein«, lehnte ich schroff ab. »Man hat mir erklärt, es gäbe auch für rätselhafte Phänomene eine Ursache. Weshalb sprechen Sie von rätselhaften Umständen? Kennen Sie Ihr Handwerk so wenig, daß Sie nicht so genau wissen, warum Ihre Patienten in achtundneunzig von hundert Fällen den Verstand verloren haben? Ich hatte angenommen, Sie wären auf dem Gebiet der Lobotomie eine Kapazität.«
Er sah mich schweigend, aber nicht gekränkt an.
»Sie sind erregt. Ich verstehe das. Die Stationsschwester sollte Sie informieren, aber nicht schockieren. Sie ging etwas über das erlaubte Ziel hinaus.«
»Lassen Sie nur Mamy in Ruhe. Sie hat mir wenigstens die Wahrheit gesagt. Kurz und präzise, so wie ich das liebe. Ich weiß also, daß ich dem Wahnsinn nur knapp entgangen bin. Weshalb haben Sie mich vor der Operation nicht über die möglichen Folgen aufgeklärt? Oder hatte ich kein Recht darauf?«
Er nahm seine Brille ab und hielt die Gläser prüfend gegen das Licht.
»Man hatte mir einen Befehl gegeben. Er kam aus dem GWA-Hauptquartier in Washington«, erklärte er bedächtig und nahm endlich Platz. Sein Blick ruhte forschend auf meinem Gesicht.
»Sie wissen, Konnat, daß ich ein beamteter Arzt bin. Ähnliche Eingriffe habe ich schon bei verschiedenen GWA-Spezialisten vornehmen müssen. Mir ist grundsätzlich verboten, vorher über die damit verbundenen Gefahren zu sprechen. Ich kann nur hoffen, daß der betreffende Patient eigene Überlegungen anstellt. Das verstößt an sich gegen mein ärztliches Gewissen. Sie dürfen glauben, daß mir das nicht leichtfällt. Ich weiß aber auch, daß jeder GWA-Agent verpflichtet ist, im Notfall seine Gesundheit, – ja, sogar sein Leben zu opfern, wenn es eine bestimmte Sachlage erfordert. Auch Sie haben sich schriftlich dazu verpflichtet, als Sie Ihre Abschlußprüfung auf der GWA-Akademie ablegten. Ihre Vorgesetzten sind in einer extremen Situation nicht verpflichtet, Sie über die eventuellen Auswirkungen eines chirurgischen Eingriffes vorher zu informieren. Selbstverständlich muß ein wirklicher Katastrophenfall vorliegen, wie in Paragraph sechsundachtzig B der Dienstvorschrift festgelegt ist:
›… sollte eindeutig erwiesen sein, daß die Sicherheit des Landes und seiner Bürger gefährdet ist, so besteht für die GWA keine Verpflichtung …‹!«
»Sie brauchen mich über diesen Paragraphen nicht zu belehren«, unterbrach ich ihn, »ich kenne ihn auswendig. Trotzdem finde ich Ihr Schweigen nicht korrekt. Sie hätten mir wenigstens eine Andeutung machen müssen, zumal ich der Auffassung war, neurochirurgische Eingriffe hätten Ihren Schrecken verloren. Wir leben im Einundzwanzigsten Jahrhundert.«
»Was hätte das genützt?« fragte er ruhig. »Sie hätten sich geweigert, das steht fest. Auf einen solchen Eingriff läßt sich kein normaler Mensch ein. Ich mußte für kurze Zeit Ihr Ich spalten. Das ist die große Gefahr bei derart speziellen Operationen. Der Körper kann dabei nicht geschädigt werden, wohl aber der Geist. Hätte ich Ihnen das sagen sollen?«
Ich schwieg und dachte über den Paragraphen nach. Tatsächlich hatte der Chef der GWA das Recht, über einen Agenten im Extremfall nach Gutdünken zu bestimmen, ohne ihn vorher aufklären zu müssen. Somit schien eine Situation eingetreten zu sein, die weit über den Rahmen eines üblichen
Weitere Kostenlose Bücher