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Zur besonderen Verwendung

Zur besonderen Verwendung

Titel: Zur besonderen Verwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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ein Mann, der in­fol­ge ei­nes aus rät­sel­haf­ten Um­stän­den miß­glück­ten Ge­hir­n­ein­grif­fes dem Wahn­sinn ver­fal­len ist, wür­de sich nie­mals für Na­po­le­on und auch nicht für Ika­rus hal­ten, wenn Sie die Be­mer­kung ge­stat­ten. Er wür­de to­ben, sei­ne Um­welt has­sen und mit den Zäh­nen auf sei­ne Wär­ter los­ge­hen. Zu­frie­den?«
    »Nein«, lehn­te ich schroff ab. »Man hat mir er­klärt, es gä­be auch für rät­sel­haf­te Phä­no­me­ne ei­ne Ur­sa­che. Wes­halb spre­chen Sie von rät­sel­haf­ten Um­stän­den? Ken­nen Sie Ihr Hand­werk so we­nig, daß Sie nicht so ge­nau wis­sen, warum Ih­re Pa­ti­en­ten in achtund­neun­zig von hun­dert Fäl­len den Ver­stand ver­lo­ren ha­ben? Ich hat­te an­ge­nom­men, Sie wä­ren auf dem Ge­biet der Lo­bo­to­mie ei­ne Ka­pa­zi­tät.«
    Er sah mich schwei­gend, aber nicht ge­kränkt an.
    »Sie sind er­regt. Ich ver­ste­he das. Die Sta­ti­ons­schwes­ter soll­te Sie in­for­mie­ren, aber nicht scho­ckie­ren. Sie ging et­was über das er­laub­te Ziel hin­aus.«
    »Las­sen Sie nur Ma­my in Ru­he. Sie hat mir we­nigs­tens die Wahr­heit ge­sagt. Kurz und prä­zi­se, so wie ich das lie­be. Ich weiß al­so, daß ich dem Wahn­sinn nur knapp ent­gan­gen bin. Wes­halb ha­ben Sie mich vor der Ope­ra­ti­on nicht über die mög­li­chen Fol­gen auf­ge­klärt? Oder hat­te ich kein Recht dar­auf?«
    Er nahm sei­ne Bril­le ab und hielt die Glä­ser prü­fend ge­gen das Licht.
    »Man hat­te mir einen Be­fehl ge­ge­ben. Er kam aus dem GWA-Haupt­quar­tier in Wa­shing­ton«, er­klär­te er be­däch­tig und nahm end­lich Platz. Sein Blick ruh­te for­schend auf mei­nem Ge­sicht.
    »Sie wis­sen, Kon­nat, daß ich ein be­am­te­ter Arzt bin. Ähn­li­che Ein­grif­fe ha­be ich schon bei ver­schie­de­nen GWA-Spe­zia­lis­ten vor­neh­men müs­sen. Mir ist grund­sätz­lich ver­bo­ten, vor­her über die da­mit ver­bun­de­nen Ge­fah­ren zu spre­chen. Ich kann nur hof­fen, daß der be­tref­fen­de Pa­ti­ent ei­ge­ne Über­le­gun­gen an­stellt. Das ver­stößt an sich ge­gen mein ärzt­li­ches Ge­wis­sen. Sie dür­fen glau­ben, daß mir das nicht leicht­fällt. Ich weiß aber auch, daß je­der GWA-Agent ver­pflich­tet ist, im Not­fall sei­ne Ge­sund­heit, – ja, so­gar sein Le­ben zu op­fern, wenn es ei­ne be­stimm­te Sach­la­ge er­for­dert. Auch Sie ha­ben sich schrift­lich da­zu ver­pflich­tet, als Sie Ih­re Ab­schluß­prü­fung auf der GWA-Aka­de­mie ab­leg­ten. Ih­re Vor­ge­setz­ten sind in ei­ner ex­tre­men Si­tua­ti­on nicht ver­pflich­tet, Sie über die even­tu­el­len Aus­wir­kun­gen ei­nes chir­ur­gi­schen Ein­grif­fes vor­her zu in­for­mie­ren. Selbst­ver­ständ­lich muß ein wirk­li­cher Ka­ta­stro­phen­fall vor­lie­gen, wie in Pa­ra­graph sechs­un­dacht­zig B der Dienst­vor­schrift fest­ge­legt ist:
    ›… soll­te ein­deu­tig er­wie­sen sein, daß die Si­cher­heit des Lan­des und sei­ner Bür­ger ge­fähr­det ist, so be­steht für die GWA kei­ne Ver­pflich­tung …‹!«
    »Sie brau­chen mich über die­sen Pa­ra­gra­phen nicht zu be­leh­ren«, un­ter­brach ich ihn, »ich ken­ne ihn aus­wen­dig. Trotz­dem fin­de ich Ihr Schwei­gen nicht kor­rekt. Sie hät­ten mir we­nigs­tens ei­ne An­deu­tung ma­chen müs­sen, zu­mal ich der Auf­fas­sung war, neu­ro­chir­ur­gi­sche Ein­grif­fe hät­ten Ih­ren Schre­cken ver­lo­ren. Wir le­ben im Ein­und­zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert.«
    »Was hät­te das genützt?« frag­te er ru­hig. »Sie hät­ten sich ge­wei­gert, das steht fest. Auf einen sol­chen Ein­griff läßt sich kein nor­ma­ler Mensch ein. Ich muß­te für kur­ze Zeit Ihr Ich spal­ten. Das ist die große Ge­fahr bei der­art spe­zi­el­len Ope­ra­tio­nen. Der Kör­per kann da­bei nicht ge­schä­digt wer­den, wohl aber der Geist. Hät­te ich Ih­nen das sa­gen sol­len?«
    Ich schwieg und dach­te über den Pa­ra­gra­phen nach. Tat­säch­lich hat­te der Chef der GWA das Recht, über einen Agen­ten im Ex­trem­fall nach Gut­dün­ken zu be­stim­men, oh­ne ihn vor­her auf­klä­ren zu müs­sen. So­mit schi­en ei­ne Si­tua­ti­on ein­ge­tre­ten zu sein, die weit über den Rah­men ei­nes üb­li­chen

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