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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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widerstrebenden Geschehnisse folgerichtig aneinanderzureihen, um möglicherweise ein erklärendes Bild zu finden, einen Abschluß, eine befriedigende Lösung.
    Es gelang nicht.
    Hoffend, daß mir vielleicht eine Stunde doch noch die Erleuchtung bringt, habe ich—so gut es ging—vorerst nur das nackte Tatsächliche aus diesem Leben aufgeschrieben, alles so, wie es sich zugetragen hat. Und hier ist es:
    Michael Jürgert kannte seinen Vater nicht. Als er sieben Jahre alt war, erfuhr er von seiner Mutter so etwas wie ein Gestorbensein durch einen merkwürdigen Unfall. Und einmal beim Maitanz warf ein Knecht in sein Ohr, daß sein Vater "im Suff ertrunken sei". Darum, so hieß es, säße ja seine Mutter schon all die Jahre im Gemeindehaus und wisse nicht, von was sie leben sollte.
    Der Bruder von Michaels Vater, der wegen einer Weibergeschichte "ins Amerika durch sei", hüte sich wohlweislich, etwas von sich hören zu lassen, raunten sich die Dörfler zu, wenn die Rede von den Jürgerts ging.—
    Nach seiner Schulentlassung kam der etwas schwächliche Knabe als
Knecht in den Reinaltherhof. Es waren vier Knechte und zwei Mägde da.
Fünf Jahre stählten den wachsenden Körper, ergossen versteckten und
offenen Spott auf Michael.
    Auf Maria Lichtmeß, als er zwanzig Jahre zählte, wechselte er seinen Dienstplatz und trat beim Peter Söllinger ein, dessen Gehöft auf der runden Anhöhe vor dem Dorfe lag.
    Rechts vom Söllingerhof, nah am Waldrand, hockte die baufällige Hütte des Gütlers Johann Pfremdinger, den man im ganzen Umkreis den "Letzten Mensch" hieß, weil er die bigotte alte Pfanningerin zur Haushälterin hatte und im allgemeinen sehr schlecht auf die Weiber zu sprechen war. Wenn man ihn ärgern wollte, brauchte man bloß eine junge Dorfmagd oder Bauerstochter des Sonntags an seinem Haus vorbeigehen zu lassen.—
    Rundherum lagen die Felder Söllingers, weit verstreut die zwei Tagwerk Pfremdingers und oft, wenn der alte Häusler zur Erntezeit schwerfällig und mühsam auf den Fußwegen durch die Wiesen des Bauern ging, um auf seine Grundstücke zu gelangen, sagte der letztere mürrisch zu ihm: "Bist saudumm!—Wennst tauschen tätst mit mein' Rainacker, hättst alles ums Haus … Aber mit dir kann man ja nicht reden!"
    "Auf'm Rainacker wachst das nicht wie bei mir," gab ihm der "Letzte Mensch" stets mit der gleichen Beharrlichkeit zurück und trottete weiter.—
    Die Jahre gingen, schwiegen. Der Peter Söllinger wurde unterdessen zum Bürgermeister gewählt und kam eines Tages in den Stall zu Michael, sagte: "Das geht jetzt nimmer, daß die Gemeinde deine Mutter aushält. Bist ein Mordstrumm Mannsbild worden und kannst selber für sie aufkommen. Der 'Letzt' Mensch' wird sterben. Die Pfanningerin müssen wir ins Gemeindehaus tun."
    Michael nickte stumm.
    "Da draußen kann's nicht bleiben, die Pfanningerin," fuhr der Bauer
fort, indem er eine verächtliche Geste in die Gegend des
Pfremdingerhauses machte, "die alte Kalupp' paßt grad noch für ein'
Heustadel."
    Und wieder nickte Michael stumm.
    "Herrgott, bist du ein Stock!" stieß der Bauer heraus und ging kopfschüttelnd und brummend aus dem Stall. Die Knechte lachten.—
    Michael ging nach Feierabend zu seiner Mutter ins Gemeindehaus und brachte ihr die Nachricht. Die alte Frau sah ihm nur in die Augen. Dann sagte sie: "Ja ja, ist ja auch wahr, die alte Pfanningerin ist ja auch älter als ich."—
    Spät, nachdem seine Mutter längst schlief, zählte Michael sein erspartes Geld. Zählte, zählte. Dachte, dachte. Rechnete, rechnete.
    Am andern Tag, während der Arbeit, hielt er manchmal inne und schaute starr ins Leere. Des öfteren sah man ihn jetzt am Abend in die Pfremdinger-Hütte gehen. "Was er nur immer beim 'Letzten Mensch' anfängt, das Hornvieh!? Möcht wohl gar Häusler werden?" spöttelten die Knechte, und Söllinger schaute dem fast furchtsam Davonschleichenden mit finsterem Blick nach.—
    Die Sterbeglocken klangen dünn durch die Luft. Mit dem alten
Pfremdinger ging es zu Ende. Die Pfanningerin, der Pfarrer—und
Michael Jürgert standen in der niederen Kammer um das Bett. Dann kam
noch die Jürgertin.
    Ganz zuletzt erst wälzte sich der Häusler nochmal herum. Schon drehten sich seine Augen.
    "Er soll's haben, Hochwürden! Aber die Hälft' gehört der Kirch'!" hauchte er schon röchelnd mit letzter Kraft heraus.
    "In Ewigkeit, Amen," murmelte sich bekreuzigend die alte Pfanningerin. und der Pfarrer sah Michael an, nickte ihm zu.
    "Hab's denkt,

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