Zur freundlichen Erinnerung
brüllte.—
Am ändern Tage fischten die zwei Knechte des Bürgermeisters den leeren zerrissenen Sack mit den Heugabeln aus dem Wasser und spießten ihn auf einen Zaunpfahl vor Michaels Häuschen. Dann klopften sie. Aber niemand gab an.—
Das ganze Dorf lachte knisternd.
Als man drei Tage niemanden aus—und eingehen sah beim Jürgert, schickte Söllinger den Nachtwächter und Gemeindediener Peter Gsott hinaus. Der klopfte wieder und wieder, drohte mit wütenden Flüchen, als niemand angab und holte dann den Schmied zum Türöffnen.
Die beiden fanden Michael in der Schlafkammer ganz starr auf dem
Bettrand sitzend und wie irr ins Leere glotzend. Einen Augenblick
zwang ihnen dieser Zustand Schweigen ab. Endlich sagte der Schmied:
"Was hast' denn, daß' dich einsperrst, Michl?"
Aber der Angesprochene machte nur mit der Hand eine lahme, wegwerfende Geste. "Deinen leeren Sack haben die Söllingerknecht' gefunden! Die Ferkel selber sind ersoffen," sagte dann der Gemeindediener. Als beide sahen, daß Michael beharrlich mit der gleichen Apathie antwortete, gingen sie und meldeten dem Bürgermeister, daß der "spinnerte Kerl" schon noch lebe. Er sei, meinten sie, nur ein wenig irr noch.—
Im Dorf ging daraufhin die Rede: "Der Michl hat's Spinnen angefangen wegen der ersoffenen Ferkel."
Michael sah man nur ganz selten seit diesem Vorfall. Höchstenfalls bog er einmal scheu ums Hauseck und eilte dem Wald zu.—
Um diese Zeit kam zum Bürgermeister Söllinger eine seltsame Nachricht aus Amerika, betreffend die Familie Jürgert und deren Nachkommen. Der Bauer, der sich, wie er sich ausdrückte, "darin nicht rechtauskannte", schickte zum Pfarrer und dieser entzifferte endlich, daß die Familie Jürgert (Überlebende oder Nachkommen) infolge des Todes eines Bruders des verstorbenen Vaters Michaels zur Generalerbin einer außerordentlich hohen Hinterlassenschaft in barem Geld eingesetzt sei und den Betrag von einer Bank in Hamburg einverlangen könnte, sobald der Nachweis der Erbberechtigung erbracht sei.—
Als der Pfarrer, der selber ein wenig zitterte, dies dem Söllinger auseinandersetzte, erbleichte dieser sichtlichund sank wie vom Schlag getroffen in einen Stuhl.
"Ruhig beibringen, ist das beste. Ich geh' selber zu ihm hinaus," sagte der Geistliche nach einigem Schweigen, nahm seinen Hut, steckte das Papier zu sich und begab sich zu Michael.
Ins Haus getreten, bemerkte er diesen dösig neben dem Herd hockend, und als der geistliche Herr in sanftem, vorsichtigem Tonfall seinen Namen rief, sprang er plötzlich auf, schlüpfte, so schnell es nur ging, furchtgepackt in das rußige Holzloch unter dem Ofen und gab keinen Laut von sich. Eine gute Weile stand der Geistliche ratlos da. Endlich fand er wieder zum Entschluß zurück.
"Geh heraus, Michl," sagte er sanft, "wir wollen wieder eine Kuh kaufen und Ferkel."
Michael räkelte sich erst und schlüpfte dann vollends aus dem Loch.
Seine Blicke waren mit einer schmerzvollen Bitthaftigkeit auf den
Pfarrer gerichtet.
"Und dein Häusl, Michl, das werden wir auch wieder richten lassen. Es ist arg baufällig," ermunterte dieser den Zögernden. Und als Michael endlich aufrecht stand, nahm ihn der Gottesmann mild am Arm und zog ihn sacht hinaus ins Freie.
Frische Frühe lag üher den Feldern. Die Wiesen dufteten schwer. Die
Sonne stieg langsam in die Mittagshöhe.—
Wie zwei Kranke schritten die beiden dahin. Der Söllinger wagte nicht herauszutreten, als sie vorbeikamen. Er lugte nur schweigend durchs Fenster.
Im Pfarrhaus angekommen, sagte der Geistliche zu Michael: "Du mußt jetzt eine Zeitlang bei mir bleiben. Die Marie wird dir ein Zimmer einrichten, bis dein Häusl fertig ist. Bis dahin ist auch wieder Viehmarkt in Greinau."
Und als verstünde er von alledem nichts, als höre er nur eine
erleichternde Melodie aus den Worten, stand Michael da und schwieg.
Allmählich glättete sich sein bangvolles Gesicht und eine aufatmende
Ruhe glänzte in seinen Augen.
Drei stille Wochen glitten him. Jeden Tag saßen die zwei zusammen in der Pfarrstube oder gingen wohl manchmal im Garten umher. Langsam wurde Michael ruhiger. Aber von Zeit zu Zeit konnte man ein böses Aufblitzen auf seinem knöchernen, schweigend gefalteten Gesicht wahrnehmen. Die väterliche Arglosigkeit seines Pflegers aber machte ihn nach und nach etwas zutraulicher und offener. Manchmal des Abends, wenn der Geistliche aus einem Betbuch laut einige Stellen vorlas, hob der Häusler den Kopf und lauschte
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