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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Starr standen die drei.
    "Gestern nacht habt ihr auf mich geschossen—einer von eurer Kompagnie war's!—Weil ich den Befehl zu euch brachte zum Vorrücken.—Einen Denkzettel habt ihr dem Major geben wollen—jetzt macht ihr drei wieder die Handlanger der Ordensjäger!" stieß Nirgend heraus.
    Keine Bewegung. Schweigen. Starr standen die drei. Wie glatte, finstere
Glassturze. Alles rutschte an ihnen herab.
    Man stand selber unter einem solchen Glassturz. Gespannt his aufs äußerste mußte man an sich halten. Eine einzige Bewegung—und alles konnte zusammenfallen, klirrte herab. Und—?
    Und man stand ohnmächtig, ausgeliefert und vereinsamt zwischen den anderen. Die nackten Arme halfen nichts. Nicht einmal zu einer Umschlingung, denn man rutschte ab. Fiel hin und war ein Häuflein nichts.
    Und was war geschehen?
    Nichts!
    Die nackten Arme halfen nichts! Gar nichts!
    Nur die Kartätschen der Feinde, Hekatomben auseinandergerissener Leiber.
Das Unerträgliche. Die Sinnlosigkeit führte zum Sinn zurück.
    "Wollen Sie den Befehl befolgen?!" rief der Unteroffizier jetzt.
    "Ja!" schrie Nirgend fast überlaut: "Ja—am liebsten würde ich wieder hinausreiten zu euch. Immer vor! Immer vor müßtet ihr—für den Pour le mérite!"
    "Los—los!" plapperte der Unteroffizier verärgert, "reden Sie nicht!
Los!"
    "Ja!" bellte Nirgend abermals, "das ist das deutsche Wesen!"
    "Marsch!" brüllte der Unteroffizier: "Vorwärts jetzt!" Und zog ihn in die Mitte.
    Man ging.—
II.
    Der Schnee lag tief. Langsam ging es vorwärts.
    "Was macht man eigentlich mit mir?" fragte Peter Nirgend auf einmal steif stehenbleibend. Es antwortete niemand.
    "Los—los!" brummte der Unteroffizier vorne wie für sich. Die Soldaten schoben den Gefangenen weiter.
    "Er hat euch geschunden his aufs Blut.—Ihr habt es selbst gesagt, daß ihr nicht mehr mitmachen wollt," sagte Peter beharrlich und stemmte sich gegen die schiebenden Hände.
    "Los—los! Wir möchten auch zur Ruh kommen!" stieß der Unteroffizier abermals murmelnd heraus und machte eine halbe Wendung.
    Einer der Soldaten setzte dem Häftling das Knie in den Rücken.
    "Gibt doch bloß Arrest, Mensch!" sagte der Unteroffizier beiläufig.
    Peter Nirgend ließ nach. Man watete wieder weiter.
    Die lange, geschwertete Linie eines spärlichen Lichtes stach durchs
Dunkel. Das war das Gemeindehaus, wo der Arrest abgesessen wurde.
Landstürmler versahen dort den Dienst.
    "Ihr kriecht, bis man euch die Kugel in den Leib jagt!" knirschte
Peter.
    Schweigen.
    Der Unteroffizier schlug mit der Faust an die Gemeindehaustür. Mit hochgehobener Petroleumlampe erschien der verschlafene Sergeant in ihrem Rahmen. Der Trupp trat in die wohligwarme Wachstube. Zwei Landstürmler hoben schläfrig ihre Oberkörper auf den Pritschen, rieben sich die Augen. Einer davon stieg herab und nahm den Schlüsselbund, winkte Peter.
    "Kommt vors Kriegsgericht! Befehlsverweigerung!" sagte der Unteroffizier zum Sergeant, der den Einlieferungsschein unterschrieb. Eine leise Verachtung schwang mit den Worten mit. Der Landstürmler führte den Häftling in die letzte Zelle. "Kamerad, leg dich gleich hin und wickle dich fest ein. Es ist kalt," sagte er und trat aus der Zelle, schloß ab.
    Peter Nirgend blieb lauschend stehen.
    Jetzt hörte man die Leute vorne im Korridor. Er ging an die Tür, schlug fest mit den Fäusten an dieselbe, schrie: "Ich muß dem Herrn Unteroffizier noch was ausrichten!"
    Und sein ganzer Körper zitterte.
    Der Trupp kam den Korridor entlang, öffnete.
    "Was ist's denn?" fragte der Unteroffizier ärgerlich und trat ein. Die anderen blieben draußen.
    "Werde ich erschossen?" fragte Peter unvermittelt.
    "Quatsch! Festung wird's geben!" räsonierte der Unteroffizier: "Was wollen Sie denn?"
    "Da—da ist eine Blutlache!" rief Peter hastig und deutete auf die Bodenfläche hinter der Pritsche. Der Unteroffizier trat einen Schritt näher heran und beugte sich vornüber, hinter die Pritschenecke. Jetzt war der Lichtkreis der Taschenlaterne nur noch ganz klein in der Nische. Peter machte einen ruckhaften Satz, stemmte blitzschnell sein Knie auf den Rücken des Korporals und schnitt mit aller Gewalt in dessen Hals, tiefer—tiefer. Das warme Blut rann üher seine Finger. Der Körper des Ermordeten gab nach, hing schräg üher die Pritsche.
    Die anderen stürzten herein und warfen sich auf Peter, schlugen auf ihn ein, his er liegenblieb.
    Ihn überleuchtend, sagte ein Soldat zum Gefesselten: "Hund! Morgen stehst du an der

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