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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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sichtlich aufmerksamer. Ein friedlicher Hauch hob Stück für Stück von dem Feindseligen ab, das hinter den Falten brütete, und lebendiger kreisten seine Augen.
    Endlich nach einem Monat eröffnete der Pfarrer seinem Pflegling die
Nachricht aus Amerika.
    Michael hörte stumm zu. Er schien anfänglich nicht zu begreifen. Dies erkennend, legte der Geistliche das Papier auf den Tisch.
    "Du bist jetzt ein reicher, sehr reicher Mann geworden, Michl," sagte er, "du kannst dir hundert Kühe kaufen, ein Haus und soviel Ferkel, als du willst. Es ist von jetzt ab keiner mehr im ganzen Umkreis, der nur ein Drittel soviel Geld hat wie du. Begreifst du? Gott hat dir geholfen. Es geht alles seinen gerechten Gang, wenn er es will."
    Michael schien die letzten Worte nicht mehr zu hören. Seine Augen waren auf einmal weit geworden. Eine Gier flackerte in ihnen und der ganze Ausdruck seines Gesichts war plötzlich völlig verändert.
    "Ich—ich kann also auch das Söllingerhaus und das vom Reinalther kaufen?" fragte er hastig und gedämpft.
    "Das kannst du, wenn sie wollen," nickte der Geistliche, "du kannst zehn solche Häuser kaufen, wenn du willst."
    "Zehn….!?" stieß Michael lauernd heraus und bohrte seine Blicke in die Augen des Pfarrers.
    "Es ist sehr viel Geld," gab der zurück.
    "Und," fuhr Michael noch leiser, fiebernd vor Unruhe, scheu, als lausche an den Wänden irgendein ungebetener Gast, fort: "Und ich krieg' das ganze Geld in die Hand. Ich brauch' nur schreiben lassen?"
    "Ja, wenn Du willst."
    "Ja …!! Ja, gleich! Gleich! Ich will!" schrie Michael verhalten.
    "Gut," sagte der Pfarrer und ging an den Tisch, "ich schreibe."
    "Und … und die Häuser vom Söllinger und—und vom Reinalther?" fragte
Michael beharrlich.
    "Die …? Ich kann mit ihnen reden," antwortete der Geistliche, während er schrieb. Dann ließ er Michael unterzeichnen.—
II.
    Im Dorf ging ein Schweigen um. Langsam verbreitete sich die Kunde von
Michaels Erbschaft. Betroffenen Gesichts raunten sich die Bauern die
Neuigkeit zu.—
    Der Baumeister von Greinau, Michael Lindinger mit Namen, wurde ins
Pfarrhaus geladen. Michael lächelte schräg, als der Mann eintrat und
beauftragte ihn, einen Plan für ein neues Haus zu bringen. Trotz der
Einwendungen des Pfarrers wurde der Umbau des alten Anwesens abgelehnt.
    Michaels Rede war jetzt sicher geworden, fast bestimmt.
    "Ein neues Haus muß her!" sagte er beharrlich.
    Und der andere Michael erwiderte pfiffig: "Ja—schon lieber was Neues als Flickwerk. Das taugt ein paar Jahr', dann geht's wieder von vorn' an."
    Diese Beipflichtung entwaffnete den Geistlichen. Der Plan wurde gefertigt. Der Auftrag gegeben. Die ehemalige Pfremdinger-Hütte krachte zusammen mit allem, was sie barg. So hatte es Michael gewünscht, steif und fest. Alles Dawider des Pfarrers nützte nichts.
    Krachte zusammen.
    Und die Dörfler standen herum, schwiegen, staunten, starrten. Vom
Pfarrhausfenster aus überschaute Michael den Vorgang.
    Auf einmal begann der Hausrist zu wanken, bröckelte, krachte. Die Herumstehenden rannten auseinander und zuletzt war minutenlang eine ungeheure Staubwolke. Dann, als es wieder lichter geworden war, lag ein riesiger Trümmerhaufen da.
    Deutlich sah Michael, wie einige die Köpfe schüttelten. Eine Weite dehnte seine Brust.
    "Das ist nicht recht," rief der Pfarrer hinter ihm. Michael hatte ihn nicht eintreten hören und riß sich erschrocken herum. Reglos und stumm standen sich die beiden gegenüber.—
    Seitdem begegnete Michael seinem Pfleger mit verstocktem Schweigen.
Mied ihn.—
    Der Bau wurde begonnen. Jeden Abend kam Lindinger ins Pfarrhaus und berichtete über den Stand, machte Vorschläge, legte Rechnungen vor.
    Sein fast beteuerndes, sich immer wiederholendes: "S'ist wahnwitzig teuer, die Sach', wahnwitzig teuer," ließ Michel lächeln.
    "Macht nichts, macht gar nichts," erwiderte er stets.
    "Ja—es ist gut, daß' wieder Arbeit gibt," meinte dann der
Maurermeister meistens und ging. Kaum war er draußen, schrumpfte
Michaels Gestalt im Lehnstuhl zusammen. Das Kinn schob sich vor. Nur
die Pupillen kreisten im Raum.—
    An einem der Abende, als eben der Maurermeister das Zimmer Michaels verlassen hatte, trat der Pfarrer ein. Michael erhob sich und wandte ihm den Rücken zu.—
    "Gelobt sei Jesus Christus!" brachte der Geistliche nach einigem
Schweigen heraus.
    Ohne sich umzuwenden, nickte Michael. Dann ging er ans Fenster, deutete in die Talmulde, die der erste Mond silbern

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