Zur Strecke gebracht: Die spannende Jagd nach dem Täter (German Edition)
mit seinen Fingern
an, »dick ist, womöglich gar aus einer Mischung von Mohn und Grieß besteht, ist
die Schicht bei meiner Mutter etwa doppelt so mächtig. Sie bindet sie mit ein bisschen
Sahne, gerade ausreichend, damit der Mohn nicht herausbröselt. Und obendrauf kommt
eine fingerdicke Zuckergusslage. Wunderbar.«
Jochen Frisch
bekam eine Gänsehaut. Allein die Vorstellung von diesem Kuchen verursachte ihm Völlegefühl
und Übelkeit.
»Wie viel?«
»Zunächst
hat meine Mutter eines für jeden von uns abgeschnitten. Mit Kaffee dazu, köstlich.
Danach schlug sie vor, ich könne das Blech mitnehmen, für meine Gemeinde. Sie deckte
den Kuchen ab und half mir, das Blech im Kofferraum rutschfest zu verstauen.« Er
schwieg plötzlich.
»Und?«,
half Frisch dem Redefluss wieder auf die Sprünge.
»Nun, es
ist eine Sünde. Ich habe schon gebeichtet.«
»Herr Blank!«
»Der Kuchen
hat die Mitglieder meiner Gemeinde nicht erreicht.«
»Ach? Was
ist passiert? Haben Sie ihn weggeworfen?« Frisch beobachte mit gewisser Faszination,
wie der rote Farbton vom Hals über das Kinn bis zum Scheitel kroch. Überlegte, was
der Hausarzt Blanks wohl dazu sagen würde. Lebenserwartung deutlich reduziert, wahrscheinlich.
»Natürlich
nicht. Was denken Sie! Ich hielt an einem Parkplatz. Setzte mich dort auf eine Bank
in die Sonne, aß ein weiteres Stück. Und danach hatte ich Appetit auf noch eines.
Irgendwann war alles aufgegessen – ich habe mich direkt ein wenig geschämt. Aber der Herr wird verstehen,
dass ich dem Kuchen meiner Mutter keinen Widerstand entgegensetzen konnte.«
»Völlerei«,
stellte Frisch trocken fest.
»Dr. Klabunde, ich habe neue Informationen
zu diesem Mohnkuchenfall«, meldete er sich wenig später beim LKA. »Angenommen, die
Schicht auf dem Kuchen wäre fünf Zentimeter dick gewesen, und angenommen, der Mann
hätte das ganze Blech allein vertilgt …«
»Dann kommt
es noch immer auf die Zusammensetzung des Mohns an. Es gibt Sorten mit mehr und
mit weniger Gehalt an Opiaten.«
Ein bisschen
irritiert fragte der Staatsanwalt nach: »Sagen Sie, kann denn einer allein überhaupt
so viel … Also,
wenn ich auch nur ein Stück davon hätte essen müssen, ich glaube, das wäre mir gar
nicht gelungen! Mit Sahne und Zuckerguss.« Klabunde hörte, wie es Frisch schüttelte.
»Das geht doch gar nicht!«
»Ich glaube,
das ist wie beim Alkohol. Geübte Trinker laufen erst ab 2,4 Promille richtig geradeaus,
andere sind da schon in einem lebensbedrohlichen Zustand.«
»Ach, und
Sie meinen, geübte Esser schaffen auch ein ganzes Blech.«
»Wer weiß.
Ich brauche die Adresse der Mutter. Dann fahre ich mal hin, lasse mir das Rezept
geben; vielleicht findet sich ja noch ein Rest der Mohnmischung. Ich melde mich
wieder.«
»Nehmen
Sie einen Beamten mit«, riet Frisch. »Wenn die Mutter auch nur ein Viertel so kratzbürstig
ist wie der Sohn, werden Sie einen Mann in Uniform brauchen, um über die Schwelle
zu dürfen.«
Dr. Klabunde beherzigte den Rat. Frau
Blank war schwierig, doch Rolf Klabunde, durch den Umgang mit seinen Schwiegereltern
geübt, ließ sich von ihrer abweisenden Haltung nicht beeindrucken.
»Sie wollen
also mein Rezept, ja?«, zischte sie giftig und sah aus, als wollte sie den ungebetenen
Besucher mit einem Kopfstoß zu Boden bringen. Sie war von beeindruckender Masse
und mindestens anderthalb Köpfe größer als der Beamte des LKA.
»Genau.
Sehen Sie, Ihr Sohn ist da in eine schwierige Lage geraten … «
»Mein Sohn«,
korrigierte sie den Fremden rüde, »wird von der Polizei fälschlich verdächtigt und
ist durch behördliche Willkür in Bedrängnis geraten.
»Um ihn
vor den Folgen zu bewahren, sollten Sie mit mir zusammenarbeiten. Ich kann nämlich
durch meine Untersuchungen eventuell seine Unschuld beweisen«, schaffte Klabunde
elegant die Kehrtwende. Der junge Beamte der Schutzpolizei hinter ihm staunte nicht
schlecht.
»Ich glaube,
Sie wollen mein Rezept nur stehlen!«
»Aber nein.
Ich muss nur wissen, wie viel Mohn Sie verarbeitet haben und welche Sorte. Das ist
das Wichtigste.«
Misstrauisch
musterte sie den dünnen Mann. »Sie mögen wohl keinen Kuchen, was?«
»Doch. Gelegentlich.«
»Ich habe
noch Kekse da. Kommen Sie rein, ich mache Kaffee.«
Eine halbe
Stunde später saßen sie zu dritt am Küchentisch und diskutierten über die Qualität
von Mohn, ob es nicht eigentlich ein Verbrechen sei, den guten Mohn mit Grieß zu
mischen, darüber, dass die Hausfrauen
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