Zur Strecke gebracht: Die spannende Jagd nach dem Täter (German Edition)
Augen, zitterten nervös an der Unterlippe entlang.
»Schlafen
Sie hier im Parterre? Oder wohnen Sie oben? Könnte ich verstehen, wenn Sie sich
etwas fürchten. Bei dem Gesindel heutzutage«, bot Schäfer zuvorkommend ein neues
Thema an. Vielleicht konnte er später mehr über den Kanadaaufenthalt der Mutter
in Erfahrung bringen.
»Sie möchten
sich vielleicht umsehen?«, freute sich Marianne Gräbert und führte ihn durchs Haus.
Das Zimmer
der Mutter war ordentlich aufgeräumt, das Bett abgezogen, Inlette und Kissen hatte
Marianne mit einer Wolldecke vor Staub geschützt. Nur am Rand blitzte die blaue
Steppdecke ein wenig hervor. Am Schrank hing ein schwarzes Kleid, darunter standen
nebeneinander zwei flache, ebenfalls schwarze Pumps.
Einer Eingebung
folgend, zog der Beamte eine der Türen auf. Leer. »Ihre Mutter hat all ihre Kleidung
mitgenommen?«, wunderte er sich.
»Viel ist
es nicht«, beschied ihm die Tochter unbeeindruckt.
In Mariannes
Zimmer war es weit weniger aufgeräumt. Die Schranktüren ragten weit geöffnet in
den Raum hinein, auf dem ungemachten Bett lagen Kleidungsstücke in wildem Durcheinander.
Auf dem Nachttisch entdeckte Schäfer ein Foto in einem angelaufenen, silbernen Rahmen.
»Ihre Mutter?«
»Ja. Aber
jetzt ist sie in Kanada.«
»Wer wohnt
oben?«
»Niemand.
Ich lebe hier mit Mutter allein.«
Als sie
ins Wohnzimmer zurückkamen, fiel Schäfer eine Veränderung in der Struktur des Teppichs
vor dem Schaukelstuhl auf. »Schlimmer Fleck. Wie ist das denn passiert?«, erkundigte
er sich freundlich.
»Weiß ich
nicht mehr. Muss viele Jahre her sein.«
»Hm«, grunzte
der Beamte, zog den vergilbten Store zurück, um mehr Licht zu haben, und ging in
die Hocke. »Frau Gräbert, sehen Sie mal genauer hin, durch irgendetwas hat sich
das Gewebe verändert, man sieht ganz deutlich etwas wie eine Kontur. Mit ein bisschen
Fantasie sieht es aus wie der Umriss eines gekrümmt daliegenden Menschen. Hier der
Kopf, dort die Beine, die Arme … Können Sie mir das bitte erklären?«
Die 80-Jährige
starrte interessiert auf die Stelle und schüttelte schweigend den Kopf.
»Vielleicht
möchten Sie mir jetzt zeigen, wo Ihre Mutter ist?«, fragte Roger Schäfer sanft.
»Aber das
wissen Sie doch schon: Sie ist in Kanada. Dort trifft sie sich mit ihrem Mann Gustav.
Gustav Anton Paul Gräbert. Das ist mein Vater. Der ist schon länger weg. Ist vorausgefahren.«
Roger Schäfers
Brauen zogen sich fest zusammen. Eine tiefe Falte entstand senkrecht über der Nasenwurzel.
»Aber Frau Gräbert«, tadelte er leise, »Ihr Vater ist doch schon vor Jahrzehnten
verstorben. Sie besuchen ihn und ihre Geschwister jeden Tag drüben auf dem Friedhof.«
Marianne
Gräberts Gesicht bekam einen schlauen Zug, sie zupfte am Ärmel Schäfers, signalisierte
ihm, er möge sich zu ihr hinunterbeugen.
Ihr deutlicher
Oberlippenbart kratzte an seiner Ohrmuschel, als sie ihm anvertraute: »Das denken
alle. Das sollten die Leute glauben! Aber das ist nicht wahr. Wir haben damals große
Steine in den Sarg gelegt!« Sie kicherte verhalten. »Hat keiner gemerkt!«
Während er auf die Ergebnisse der
Analyse der vom Teppich entnommenen Proben wartete, die an ein Labor geschickt worden
waren, versuchte Roger Schäfer, das Rätsel um das Verschwinden der Martha Gräber
auf anderem Weg zu lösen.
Zunächst
überprüfte er das Konto der Vermissten. Zu seinem nicht geringen Erstaunen wies
es einen Stand von mehr als 200.000 Euro auf. Ein Abgleich mit Kai Baumwerk vom Rententräger ergab, dass
diese Summe dem Betrag entsprach, der innerhalb von fast 20 Jahren monatlich dort eingegangen,
jedoch niemals angetastet worden waren. Die Krankenkasse der Martha Gräber bestätigte,
dass sie ihre Versichertenkarte seit Mai 1990 nicht mehr eingesetzt hatte. All das
erhärtete den Anfangsverdacht, die alte Dame sei nicht mehr am Leben.
Roger Schäfer
zog weitere Erkundigungen ein, machte den Hausarzt Gustav Gräberts ausfindig, Dr. Jürgen Petzold. Er war überrascht,
als er dessen Praxisräume betrat. Ein junges Team arbeitete hier, den Mediziner
selbst schätzte Schäfer auf Mitte bis Ende 40.
»Gustav
Gräbert? An den kann ich mich gut erinnern, da brauche ich keine Akte.«
Der Kripobeamte
zog fragend eine Augenbraue hoch. »So?«
»Ja. Sehen
Sie, der war sozusagen meine erste offizielle Leiche.« Der Arzt lehnte sich zurück
und verschränkte die Arme vor der Brust. »Da übernehme ich eine gutgehende Praxis
von meinem Onkel, beginne
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