Zur Strecke gebracht: Die spannende Jagd nach dem Täter (German Edition)
nicht feststellen.
Super, dachte
Schäfer sarkastisch, das bringt ja so richtig Schwung in die Nachforschungen. Mit
Schaudern dachte er an Marianne Gräbert. Hatte sie wochenlang den Leichnam der Mutter
im Wohnzimmer auf dem Teppich liegen lassen, während er verweste, und sich nach
und nach immer mehr interessierte Insekten einfanden? Wie konnte sie dieses Bild
ertragen – und den
Gestank? Berufsbedingt dachte er zunächst an abgrundtiefen Hass und Freude an der
langsam voranschreitenden Zersetzung der Mutter, danach kam ihm der Gedanke, Marianne
könne schlicht mit der Situation überfordert gewesen sein. Die von der ganzen Familie
verlassene und einsame Frau konnte nichts unternehmen, weil sie nicht wusste, wie
sie vorgehen musste, da ihr Denken von Trauer blockiert war. Also überließ sie den
Körper der Mutter einfach sich selbst und seinem biologischen Schicksal.
Ein illegales
Begräbnis mit Unterstützung durch ein Bestattungsunternehmen? Nein, er verwarf die
Idee. Bestatter wollten Geld verdienen – mit großen Beisetzungen, die Aufsehen erregten und bei manch einem
der Trauergäste Begehrlichkeiten für die eigene Beerdigung weckten. Und wie hätte
die Tochter erklären sollen, dass von Martha Gräbert kaum mehr etwas übrig war?
Am ehesten hatte sie die Lösung des Problems irgendwann selbst in die Hand genommen.
Kai Baumwerk hörte dem Beamten gut
zu, den er in sein Lieblingscafé eingeladen hatte. Dieses Ergebnis war mehr als
unbefriedigend. Auch Roger Schäfer fragte sich, ob er annehmen musste, Marianne
habe ihre Mutter kaltblütig umgebracht. Sollte die Tochter ihre Mutter etwa zerstückelt
haben, um den Abtransport zu bewerkstelligen, als sie sich bereits im fortgeschrittenen
Zustand der Verwesung befand? Wenn er den Fall nicht bald zum Abschluss brachte,
würde er noch nachhaltig Schaden nehmen, Albträume verfolgten ihn schon jetzt.
»Wissen
Sie, Herr Schäfer, mir fällt da was ein. Als ich mit den Nachbarn sprach, behauptete
eine der Damen, es habe nur selten Streit zwischen Mutter und Tochter gegeben. Aber
einmal ging es bei einem lauten Disput um den Wunsch der Mutter, auf keinen Fall
auf dem Friedhof gegenüber beerdigt zu werden. Wäre das ein Ansatz?«
Für Roger
Schäfer fügte sich das Puzzle plötzlich zusammen. Es mochte sein, dass die alte
Dame eines natürlichen Todes gestorben war – und sich die Tochter eingedenk des Gezeters dazu entschlossen hatte,
den letzten Wunsch der Mutter zu erfüllen.
Aber wo
war der Beweis? Er hatte natürlich daran gedacht, den Garten umgraben zu lassen.
Doch der war riesig. Ohne einen konkreten Hinweis auf die Stelle, die zu untersuchen
war, konnte ein Team hier wochenlang beschäftigt sein. Teuer. Und natürlich würde
die Presse schnell Wind von der Aktion bekommen, Fernsehsender könnten auf die Idee
verfallen, live zu berichten. Nein. Er musste herausfinden, wie er den Bereich eingrenzen
konnte, an dem gesucht werden sollte. Ein Screening.
Oder einen
Leichenspürhund!
Er rief
bei der Staffel an und erfuhr, die meisten der Hunde seien zurzeit abkommandiert.
Man versuche in einem Erdbebengebiet, Überlebende zu finden beziehungsweise die
Leichen Verschütteter wegen der Seuchengefahr. Lediglich eine Hündin stünde ihm
zur Verfügung.
Olga und Horst Michalik, der Hundeführer,
gaben sich redlich Mühe. Alle zehn bis fünfzehn Minuten hatte das Tier Pause. Die
beiden gingen das Grundstück gründlich und planvoll ab. Das Ergebnis war ernüchternd.
Olga setzte sich nicht ein einziges Mal hin, um zu signalisieren, sie sei fündig
geworden.
Schäfer
überlegte, ob sie wohl einfach keine Lust hatte, schließlich waren all ihre tierischen
Kollegen verreist, nur sie musste zum Arbeiten in Cottbus bleiben.
»Keine Sorge,
so etwas gibt es bei Tieren nicht«, beruhigte ihn Horst Michalik. »Wenn sie keinen
Fund signalisiert, dann liegt es daran, dass keine Leiche zu entdecken ist.« Er
zuckte entschuldigend mit den Schultern und tätschelte Olgas mächtigen Kopf.
Weihnachten rückte unaufhaltsam
näher. Roger Schäfer stöberte in der lokalen Buchhandlung nach einem Bildband, den
er seiner Schwester schenken wollte. Afrika käme infrage, aber auch etwas über Wölfe
wäre nicht schlecht, überlegte er, während er die Buchrücken der einzelnen Ausgaben
eingehend betrachtete.
»›Deutschland
von oben‹ klingt auch spannend. Da bekommt sie mal einen ganz anderen Eindruck von
ihrer Heimat«, schmunzelte Schäfer und blätterte das Buch
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