Zurueck auf Glueck
haben sich getrennt. Imogene hat es nicht kommen sehen, alle anderen schon. Dieses Buch gehört nicht zu jenen, in denen sich der Autor (hier: die Autorin) vom Tun der Figuren überrascht gibt.
331.
Als Imogene ihm erzählte, dass sie am Abend mit Ron de Jean in ein Bistro gehen wolle, erinnerte Wally sich daran, dass sie ihm, als er vor langer, langer Zeit auf Ron de Jean zu sprechen gekommen war, beteuert hatte, die Sache zwischen ihnen sei finito. Hat sie das tatsächlich gesagt? Kann man jemanden für das, was er in Kapitelchen 17 gesagt hat, eine Ewigkeit später noch zur Rechenschaft ziehen?
»Aber heute Nacht erreicht der Perseiden-Meteoritenstrom sein Maximum«, stöhnte Wally. »So gute Sichtbedingungen kriegen wir womöglich nie wieder, solange wir leben. Ich hatte mich so darauf gefreut, mir das Spektakel mit dir zusammen anzusehen.«
»Dann müssen wir eben länger leben, Wally.« Imogene schnappte sich ihre Jacke. »Ich bin spät dran.«
332.
Ron de Jean fand nicht, dass sie sich etwas vorzuwerfen hatten. Imogene und er wollten lediglich in einem schönen, aber nicht zu schönen Café einen Happen essen. Es wurde nicht einmal eine ganze Flasche Wein konsumiert, und die Beleuchtung war unschummerig. Sie saßen nicht in einer Nische. Niemand bestellte Austern, Trüffeln oder Ähnliches. Niemand sah niemandem verträumt in die Augen. Sie machten einander keine Geständnisse, gaben einander keine Versprechen. Als der Kellner fragte, ob er ihnen noch ein Dessert oder eine Tasse Kaffee bringen könne, sagte weder Ron de Jean noch Imogene: »Für mich nicht, aber nimm du doch noch etwas, damit wir den Abend gemütlich ausklingen lassen können.« Sie teilten sich die Rechnung.
Ein weiterer Grund, warum Ron sich nichts vorwerfen konnte: Er hatte ein Auge auf ein Fußmodel geworfen, deren attraktivste körperliche Reize oberhalb ihrer unteren Extremitäten lagen.
333.
Imogene hatte sich ebenfalls nichts vorzuwerfen. Dass sie etwa Wally wegen Ron de Jean hätte verlassen wollen? So unternehmungslustig war sie nicht. Auch stand ihr der Sinn weder nach einem klärenden Gespräch, noch hatte sie Lust, für sich selbst oder Wally Umzugskartons zu packen. Außerdem war Ron de Jean bloß ein Kerl, den sie schon seit Ewigkeiten kannte, seit dem Sommer, in dem sie, um Geld zu verdienen, ohne ins Schwitzen zu geraten, in einem Zeichenkurs als Aktmodell gejobbt hatte. Ron de Jean war der fleißigste Schüler gewesen.
334.
Wally sah Dinge, die andere nicht sahen.
335.
Aufgewühlt, wie er war, beschloss Wally, der zu Hause saß und sich Sorgen machte, loszuziehen und in einem auch nachts geöffneten Drugstore eine Schere zu kaufen. Prüfend sah er sich das gesamte Sortiment an. »Darf ich Ihnen einen Rat geben?«, fragte ein anderer Kunde, der sich für eine heiße Schere entschieden hatte. »Bei Scheren darf man nicht knausern.«
Offenbar kannte der Mann unseren Wally nicht. Der mochte vieles sein, aber kein Knauser.
336.
Die Grand Prix-Küchenschere von Wüsthof, $ 50,95. Nicht für Großgeflügel verwenden.
337.
Am nächsten Tag war Wally hauptsächlich damit beschäftigt, sich mit der Entscheidung herumzuquälen, ob er auf einen Junggesellenabschied gehen (alte Kumpel, Gratis-Whiskey, mögliche Mitfahrgelegenheit nach Hause) oder zu Hause bleiben sollte (Niederschlagswahrscheinlichkeit 100 Prozent, Celtics gegen Knicks, Imogene). »Sag du mir, was ich machen soll«, bat er Imogene.
»Gehen«, antwortete sie, ohne groß darüber nachdenken zu müssen oder auch nur von ihrer Häkelarbeit aufzublicken. Imogene hatte andere Dinge im Kopf (Roggentoast, mmm).
»Das hilft mir auch nicht weiter«, sagte Wally. »Wenn du mir helfen wolltest, würdest du sagen, bleib – du kannst machen, was du willst, aber Hauptsache, du bleibst.«
»Ach ja?«, sagte Imogene. (Was hatte er gesagt?)
338.
Als sie am nächsten Abend im Bett lagen, fragte Wally: »Wie traurig wärst du, wenn ich sterben würde?« Imogene ließ ihr Skizzenbuch sinken. »Auf einer Skala von fünf bis achtzehn«, ergänzte er.
»Sind Brüche erlaubt?«, fragte sie.
»Im Ernst«, sagte Wally. »Was würdest du machen?«
Imogene blickte sich im Schlafzimmer um. Sie sagte, sie würde endlich mal die Wohnung gründlich putzen.
»Vielleicht wäre das die Lösung, damit die Wohnung mal wieder richtig sauber wird«, sagte Wally.
(Ist achtzehn am traurigsten oder am wenigsten traurig?)
(Wie traurig wäre der Leser? Bitte geben Sie die Antwort in Milligramm
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