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Zurueck auf Glueck

Zurueck auf Glueck

Titel: Zurueck auf Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Marx
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weil es ihr zu sehr nach einem Kleinkinderwams aussah oder nach einem Erdnusskostüm. Bis Ron de Jean in der Eingangshalle war, hatte Imogene den Teekessel auf dem Herd und Billy Holliday auf dem Plattenteller und sich die Wimpern und ihr Pärchengesicht abgeschminkt.
    Imogene scrollte durch ihre E-Mails. Es waren siebenundneunzig Stück – die meisten von Freunden und Bekannten, einige von Kunstseide- und Elastan-Händlern, drei identische Nachrichten von einer Person namens Mirilla Borth, die ihr eine Tätigkeit beim diplomatischen Korps von Turkmenistan antragen wollte, und eine von Saks Fifth Avenue, die in ihr die Hoffnung weckte, dass die Kaufhauskette eines Tages Featherware ins Sortiment nehmen würde.
9.
    Imogene ließ den Blick durch das Wohnzimmer mit der Essecke schweifen – über ihren Art-nouveau-Kamin mit dem Art-déco-Kaminbesteck, über ihre seegrüne Serapi-Brücke mit dem ungewöhnlichen Spinnenmuster, über ihre Sammlung von Miniaturfrüchten aus Stein – darunter auch das seltene Exemplar einer halben Kumquat –, über ihren Esstisch aus dem neunzehnten Jahrhundert, künstlerisch mit künstlicher Gebrauchspatina versehen, über ihre Bücher (alphabetisch geordnet), über ihre Schnupftabakfläschchensammlung (schnuffig geordnet), über ihr einschmeichelndes Leuchtensystem (installiert von einer Lichttechnikkoryphäe), über ihr Aboriginegemälde, ein Schnäppchen von einer Ozeanienreise (in der ausgeklügelten Hängung, die ein befreundeter Rahmenbauer vorgenommen hatte), und natürlich über ihre umlaufende Terrasse (die der komplett abbezahlten Zweieinhalbzimmereigentumswohnung eine erhebliche Wertsteigerung bescherte). Sie dachte an ihre Arbeitsplatte aus indischem Jaspis in der Küche, an den Wäscheschrank mit den französischen Stoffen in der Diele, an den beachtlichen Wasserdruck in den Rohrleitungen im Bad und an ihren schönen großen Fernseher im Schlafzimmer.
    Sie staunte, dass sie trotz eines beneidenswert gut gefüllten Verabredungskalenders heute Abend nichts vorhatte und tun und lassen konnte, wonach ihr der Sinn stand.
    Sie war dankbar, dass niemand da war, der ihr dabei zusah, wie sie in ihrer wahnsinnig bequemen Jogginghose gedünsteten Brokkoli aus einem großen Plastiktopf in sich hineinschaufelte.
10.
    Imogene überlegte, wie grandios es doch war, dass sie noch nie jemanden überfahren hatte.
11.
    Sie dachte: »Mannomann, bin ich glücklich!«
12.
    Eines schönen Tages musste Imogene entsetzt mit ansehen, wie ihr Laptop in eine öffentliche Toilette plumpste, nachdem der Tragetaschenschultergurt plötzlich und unerwartet das Zeitliche gesegnet hatte. Danach ließ sich der Computer nicht mehr hochfahren. Sein Geacker und Geracker drang wie fernes Außenbordmotorgeknatter an Imogenes Ohr. Oder wie der Geist vergangener Klempnerarbeiten. Doch sie wiegte sich in dem Glauben, dass ein Fachmann jede Reparatur meistern kann.
    Sie rief die technische Hotline an, zwei Dollar fünfzig die halbe Minute, inklusive der Zeit, die der Fachmann benötigt, um Seriennummer und Garantiefrist zu überprüfen. Dreizehn Dollar später: »Dürfte ich Sie etwas Persönliches fragen?«, sagte die Fachfrau am anderen Ende der Technikhotline. Imogene machte sich darauf gefasst, den Mädchennamen ihrer Mutter durchzugeben.
    »Stehen Sie unter Medikamenteneinfluss?«, sagte die Fachfrau.

13.
    An solchen Tagen hätte Imogene gern Kinder gehabt. Eines von ihnen wäre inzwischen bestimmt schon elf und damit alt genug, ihren Computer zu reparieren. Vielleicht hätte Ron de Jean helfen können, doch der war in Wilkes-Barre, Pennsylvania, auf einem Bettnässerkongress.
    An solchen Tagen hätte Imogene gern jemanden gehabt, der ihr sagte, was sie tun sollte, oder noch besser: der es gleich selber tat.
    An solchen Tagen hätte Imogene einen Schnaps trinken, eine Pille einwerfen, einer Sekte beitreten, alles auf eine Karte setzen, jemanden schmieren (wenn es etwas brächte), ihre Familie übers Ohr hauen, religiös werden, einen Pakt mit dem Teufel schließen, ans andere Ende der Welt umziehen, im Bett liegenbleiben, Tränenströme vergießen, ganz klein mit Hut werden, einen Tobsuchtsanfall kriegen, einen Hirnschlag erleiden und schreien, schreien, schreien, schreien können.
14.
    Aber sie war nicht der Typ dafür.
15.
    Auf der Visitenkarte von Wally Yez, die Imogene kurz zuvor in einer weiß Gott wie lange nicht mehr benutzten Handtasche gefunden hatte, stand: »Eine Antwort auf alles«. Wally Yez? Sagte

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