Zurueck Aus Afrika
nachzufragen, doch solle ich mir noch keine Hoffnung machen, denn es bestehen Wartelisten auf diese günstigen Wohnungen. Aber dieser Flecken hat es mir wirklich angetan und ich werde nicht so schnell aufgeben.
Ich zeige ihr noch Fotos von meinem Mann und unserem Shop in Kenia und bitte sie, ihn in ihrem Urlaub aufzusuchen, um ihm einen Brief von mir zu geben. Auch solle sie versuchen, über Sophia etwas herauszufinden. Es scheint mir wie ein bedeutungsvoller Zufall, dass ich ausgerechnet bei meiner ersten aushäusigen Unternehmung jemandem begegnet bin, der nach Kenia fliegt. Mit etwas Wehmut wünsche ich ihr beim Abschied einen schönen Urlaub. Zu Hause schwärme ich meiner Mutter von der Wohngegend vor. Für mich steht fest, dass ich nicht weitersuche, solange ich keinen negativen Bescheid von der Verwaltung bekommen habe.
In den folgenden Tagen tröpfeln per Post vereinzelte Arbeitsangebote herein. Das meiste ist unbrauchbar. Entweder gefällt mir das zu vertreibende Produkt nicht oder die Firmen wollen keinerlei Garantielohn zahlen, worauf ich mich in meiner Situation nicht einlassen kann. Als ich die Hoffnung auf den Erfolg des Inserates schon aufgeben will, erhalte ich ein Angebot aus Zürich. Es geht um Seidenfoulards und Krawatten, die an Unternehmen als Werbegeschenke verkauft werden sollen. Ich schaue mir die beigelegten Prospekte an und spüre, dass das meine Chance ist. Sofort rufe ich an und vereinbare einen Vorstellungstermin.
Jetzt kommt es auf mich an. Die erste Stelle nach dem langen Auslandsaufenthalt zu bekommen, wird besonders schwer sein. Ich besorge mir eine anständige Stadtkarte von Zürich und kaufe ein schönes Kostüm. Dass ich so lang und dünn bin, hat den Vorteil, dass mir die meisten Warenhauskleider passen und gut stehen. Beim Friseur lasse ich mir zum ersten Mal in meinem Leben die Haare kurz schneiden und rot färben. Ein Paar neue Stöckelschuhe, nicht zu hoch, geben meinem Aussehen den letzten Schliff. Mein Massai-Leben, in einer »Kuhfladenhütte« an der Feuerstelle auf dem Boden kauernd und Ugali kochend, sieht mir niemand mehr an. Meine Mutter bestätigt diesen Eindruck, weil sie mich im ersten Moment kaum erkennt. Auch Napirai staunt mich unsicher an. Nur meine Stimme scheint ihr vertraut zu sein. Doch als ich ihr die Brust zum Stillen anbiete, stürzt sie wie gewohnt auf mich zu. Wohlig saugt sie sich an und ist nun ganz sicher, dass sie bei ihrer Mama gelandet ist.
Da ich zu dem Vorstellungsgespräch möglichst entspannt erscheinen möchte, beschließe ich, nicht mit dem Auto, sondern mit dem Zug nach Zürich zu fahren. Aber schon am Bahnhof erlebe ich meine erste Niederlage. Ich möchte die Fahrkarte am Schalter lösen, doch steht dort eine große Menschentraube. Weil bis zur Abfahrt nicht mehr viel Zeit bleibt, frage ich den Mann am Schalter kurz, ob ich auch im Zug nach Zürich ein Billett kaufen könne. Er schaut mich verdutzt an und sagt: »Nein, in der S-Bahn geht das nicht. Sie müssen am Automaten auf dem Bahnsteig lösen.« In zwei Minuten kommt der Zug. Ich haste zum angegebenen Gleis und suche den entsprechenden Kasten. Als ich ihn entdecke, kann ich nur verwirrende Zahlen und Pfeile erkennen. Wie ein Steinzeitmensch stehe ich da und weiß nicht, wie ich zu einer Fahrkarte komme. Mit herablassender Nachsicht erklärt mir ein Jugendlicher den Automaten. Ich könnte in den Boden versinken vor Scham. Wie tollpatschig ich doch geworden bin während meines vierjährigen Lebens im Busch!
Die Orientierung in Zürich stellt die nächste Herausforderung dar. Mit Mühe frage ich mich durch. Völlig durchgeschwitzt in meinem schönen neuen Kostüm komme ich bei der vereinbarten Adresse an. Zum Glück habe ich noch zehn Minuten Zeit, mich etwas zu beruhigen.
Im Präsentationsraum strahlen die Foulards in den tollsten Farbkombinationen um die Wette. Ich werde von einer etwa 50-jährigen Frau begrüßt. Nachdem ich mich kurz vorgestellt habe, ruft sie ihren Mann, der wohl für die Einstellung zuständig ist. Es erscheint ein kleiner, älterer, doch vitaler Herr. Er zeigt mir gleich die verschiedenen Qualitäten und Stoffe. Ich bin mir nicht sicher, was ich von dem Paar halten soll, doch die Artikel sind schön und auf jeden Fall gut zu verkaufen, das erkenne ich sofort. Der Mann bittet mich in sein Büro und wir unterhalten uns. Als er erfährt, dass ich erst vor kurzem aus dem Ausland zurückgekommen bin, ist er nicht sehr begeistert, da ihm natürlich Referenzen
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