Zurück in deine Arme
Häusern. Die Feldarbeiter, die du dort siehst, sind alles junge Männer aus den Slums von Rio.“
Leila blinzelte verwirrt und wandte sich zu ihrem Mann um. „Alle?“
Rafael nickte. „Die meisten von ihnen lernte ich kennen, als ich die Favelas vor einem Jahr im Zuge der Filmrecherche besucht habe. Viele stammen aus zerstörten Familien, wo ein Elternteil entweder behindert ist oder in den Bandenkriegen getötet wurde. Andere hatten gar kein Zuhause.“
Wie gut kannte sie dieses Leben! Und wie gern wäre sie ihm nach dem Tod von Vater und Bruder entflohen.
„Alle Jungen wollten unbedingt für und mit uns arbeiten. Nachdem das Filmprojekt beendet war, konnte ich sie nicht einfach so wieder ihrem Schicksal überlassen.“
„Also hast du sie eingestellt“, resümierte Leila mit rauer Stimme.
„Ja, und ich biete ihnen die Chance, ihre Lebensumstände zu verbessern, wenn sie es von sich aus wollen. Jeder der Jungen bekommt die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Je mehr Erziehung und Bildung sie haben, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in ihre Straßengangs zurückkehren.“
Mit Tränen in den Augen sah Leila zu den jungen Männern hinüber. Alle wirkten gesund und zufrieden.
In diesem Moment überwältigte sie die Liebe zu ihrem Mann so sehr, dass es ihr den Atem raubte. Wie ruppig und dominant er nach außen auch erschien, so hatte er doch ein großes mitfühlendes Herz. Und er beließ es nicht einfach nur bei Mitgefühl, sondern packte voller Kreativität und Tatkraft missliche Umstände an, wo sie ihm begegneten, und veränderte das Leben der Menschen, die davon betroffen waren.
Wenn meinem Vater und Bruder doch nur eine ähnliche Hilfe zuteilgeworden wäre …
„Was ist mit dir?“, fragte Rafael alarmiert, legte seine Hände auf ihre zuckenden Schultern und drehte seine Frau zu sich um. Doch sie schüttelte nur den Kopf und ließ ihren Tränen freien Lauf.
„Du machst mir Angst. Was beunruhigt dich, Querida ?“
Erneut schüttelte sie den Kopf und versuchte ihre Anspannung wegzulachen, aber es klang wie ein Schluchzen. „Alles, worüber du in deinem Film Carnival berichtet hast, ist mir auf die eine oder andere Art persönlich widerfahren … alles“, wiederholte sie und hoffte, Rafael würde auch ohne weitere Erklärungen verstehen, dass sie in frühester Jugend gezwungen gewesen war, Dinge mit anzusehen und zu erleben, die unsichtbare Narben hinterlassen hatten, die nie ganz verschwinden würden. „Nur leider gab es damals keinen Retter wie dich in den Favelas, sonst würden mein Vater und Bruder vielleicht noch leben und …“
„Ssch…“, brachte er sie mit einem Finger über ihrem Mund sanft zum Schweigen. „Es gibt noch sehr viel mehr zu tun, um den armen Menschen zu helfen. Du und ich haben glücklicherweise die Chance dazu.“
„Du … du meinst, wir könnten zusammen daran arbeiten?“
„Wenn du willst, jederzeit. Ich weiß, wie sehr dir daran liegt, die Kontrolle über deine Klinik für die Mädchen zu behalten, Leila, aber es gibt noch so viel anderes, was wir gemeinsam bewerkstelligen können.“
Wie dumm sie doch gewesen war zu glauben, dass ihr Einsatz und ihre Anstrengungen unter Rafaels Schirmherrschaft weniger zum Tragen kämen! Hätte sie doch nur schon früher von seiner eigenen Initiative erfahren …
„Ich liebe dich“, sagte sie gefühlvoll.
„Nicht mehr, als ich dich liebe, meu Coração “, erwiderte Rafael bewegt und küsste die Tränen von ihren Wangen. „Aber jetzt musst du dich ausruhen. Ich werde dir Bescheid geben, wenn das Dinner fertig ist.“
Nur zögernd löste Leila sich aus seinen Armen, war aber doch froh, sich auf dem breiten Luxusbett ausstrecken zu können. Wie ein müdes Kätzchen rollte sie sich auf einer Seite zusammen und legte instinktiv eine Hand auf ihren Bauch.
Das Schlimmste war überstanden. Oder nicht? Zu müde zum Nachdenken beschloss sie, wenigstens für einen Moment die Augen zuzumachen und war bereits fest eingeschlafen, als Rafael eine flauschige Decke über sie breitete, die er aus dem Schrank geholt hatte.
Stunden später erwachte Leila mit einem Riesenappetit.
Kein Wunder! dachte Leila, setzte sich auf und schnupperte. Ein verführerischer Duft stieg ihr in die Nase. Wann hatte sie das letzte Mal etwas gegessen? Vielleicht konnte sie den Koch bitten, ihr zwischendurch einen kleinen Imbiss zu bereiten?
Als sie kurz darauf die Küche betrat, stockte sie. Am Herd stand Rafael. Er trug ziemlich alte
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