Zurueck in die Nacht
seiner
Mutter, die ihm hilft, aufzustehen. Er sieht ziemlich mitgenommen aus, was ja
kein Wunder ist. Claire hingegen sieht man die Strapazen, die sie hinter sich
hat, nicht im Geringsten an. Sie wirkt lebendig und voller Energie. „Dann los!“ Sie zieht Arik an ihrer Hand hinter sich her. Ich
folge den beiden schnell, aber mit Abstand. Ich fühle mich wie ein
Eindringling.
Claire eilt
durch den Gang vom Gewölbe weg, als würde sie sich hier gut auskennen. Da sie
so sicher scheint, folge ich ihr stumm. Ich wüsste sowieso nicht, wie ich hier
raus käme. Wir erreichen die Treppe und sie zögert. Dann wendet sie sich an
uns. „Sie sind unterwegs. Wir müssen schnell machen.“ Wir hasten die Treppe
rauf, so schnell wir können. Jetzt höre auch ich das unverkennbare Rauschen in
meinem Kopf, dass das Nahen mehrerer Wächter ankündigt. Wir werden noch
schneller, gleichzeitig merke ich, dass Claire und Arik in der Zeit
zurückgehen. Es nützt nur wenig. Im selben Augenblick, als wir das Ende der
Treppe erreichen und in den Gang hinaus rennen, treffen auch die Wächter ein.
Zum Glück sind
es nur zwei. Einer, den ich nicht kenne – und Jay. Er starrt mich fassungslos
an, als er sieht, in wessen Begleitung ich mich befinde.
„Clarissa! Was
hast du getan?“
Ich antworte
nicht, sondern nehme unverzüglich Anlauf und trete ihm mit voller Wucht die
Beine weg. Er knallt auf den Boden, schafft es aber im letzten Moment, mich
mitzureißen. Ich lande auf ihm. Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie Arik
sich auf den zweiten Wächter stürzt. Jay versucht, sich unter mir weg zu
wälzen. Ich halte mich mit aller Kraft an ihm fest. Mein Vorteil ist, dass ich
ihn aus unzähligen Trainingskämpfen kenne und deshalb recht genau einschätzen
kann. Leider kann man dasselbe von ihm sagen. Und leider weiß ich auch, dass es
mir noch nie gelungen ist, ihn zu besiegen. Am Ende ist immer er der Stärkere.
„Haut ab!
Verschwindet! Ich komm schon klar!“, keuche ich in Ariks Richtung, während ich
merke, dass Jay langsam die Oberhand gewinnt.
„Nein!“, gibt
Arik zurück. Aber auch er sieht nicht so aus, als könnte er seinen Kampf
gewinnen.
„Verdammt! Macht
schon!“, schreie ich. Im selben Augenblick macht es unter mir einen gewaltigen
Ruck, und plötzlich liege ich mit dem Rücken auf den Steinen, während Jay
aufspringt und über mir steht. Er packt mich am Stoff meines Sweatshirts, reißt
mich hoch und schüttelt mich so heftig, dass ich mir auf die Zunge beiße.
Schmerz schießt durch meinen Kiefer und ich schmecke Blut.
„Clarissa! Komm
zu dir! Du weißt nicht, was du tust!“
„L…lass…
m…m…mich… l…l…los!“, stoße ich zwischen den Zähnen hervor.
„Niemals! Du
gehört zu mir!“ Er schüttelt mich noch heftiger, und ich merke, wie mir die
Sinne schwinden.
Plötzlich steht
Arik neben Jay. „Lass sie los, du Schwein!“ Er wirft Jay einen so vernichtenden
Blick zu, dass mir angst und bange wird.
„Du… du…“ Jay
ist so wütend, dass er mich tatsächlich den Bruchteil einer Sekunde loslässt,
während er die Fäuste ballt, um sie Arik ins Gesicht zu schlagen.
Das reicht mir.
Ich hole aus, spanne meine Hand an und ramme ihm ihre Kante dann sauber an den
Hals. Er fällt sofort um. Ich werfe einen letzten Blick auf ihn und den
ebenfalls am Boden liegenden anderen Wächter, dann packe ich Arik am Arm. „Los,
komm weiter!“
Er schüttelt
meine Hand ab, greift stattdessen wieder nach Claire und rennt los. Einen
kurzen Augenblick bin ich wie erstarrt, alles in mir wird kalt. Dann laufe ich
hinterher. Ich höre weitere Wächter in der Nähe und bin mir sicher, dass sie
uns folgen. Ich weiß, dass wir keine echte Chance haben. Spätestens, wenn wir
am Tor ankommen, ist unsere Flucht zu Ende. Trotzdem verscheuche ich den
Gedanken und renne weiter. Solange wir rennen, leben wir. Stehenbleiben dagegen
wäre der sichere Tod.
Erst, als wir um
eine Ecke biegen und der Gang plötzlich ins Freie mündet, erkenne ich unseren
Fehler. Offenbar kennt Claire sich doch nicht so gut aus, wie ich dachte. Denn
wir sind keineswegs in der Nähe des Ausgangs, im Gegenteil. Die gesamte Burg
trennt uns davon. Stattdessen stehen wir am Rand des Burghofs. Hinter uns die
Burg mit ihrer riesigen Mauer – und vor uns nur Klippen und Meer. Wir sitzen in
der Falle. Verzweifelt will ich mich umdrehen, da sehe ich, dass Claire
unbeirrt weiter läuft, Arik hinter sich. Ich habe nicht mehr die Luft, um zu
rufen. Also laufe ich
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