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Zurueck in die Nacht

Zurueck in die Nacht

Titel: Zurueck in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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Hände so weiß, als wären sie schon abgestorben. Mit der Kraft der
Verzweiflung stemme ich meine Füße in seinen Bauch. Irgendwie schaffe ich es,
ein Knie auf seine Schulter zu bugsieren. Während ich mich mit der Linken
hinter seinem Hals festhalte, nehme ich das Messer in die Rechte und beginne zu
säbeln. Das Seil ist ziemlich dick und ich fange an, vor Anstrengung zu
schwitzen. Meine Hand um Ariks Hals wird glitschig. Ich fürchte, jeden
Augenblick abzustürzen. Verzweifelt säge ich weiter. Auf einmal macht es einen
Ruck und die letzten Fasern reißen. Mit einem Schrei, den ich nicht
unterdrücken kann, knallen wir beide auf den Boden. Ich lande auf Arik, er auf
den Steinen. Er zeigt immer noch keine Regung. Jetzt sieht er wirklich wie eine
Leiche aus.
    Arik? Arik!
Sag was, bitte! Ich knie neben ihm und schüttele ihn.
    Clarissa! Was
machst du immer noch hier?
    Oh Gott,
danke! Ich kann nicht anders, ich beuge mich vor und umarme ihn. Es fühlt
sich an, als hielte ich einen Stein. Er ist eiskalt. Meine Panik kehrt zurück. Arik!
Ich habe dich von der Decke runtergeholt, aber ich weiß nicht, wie ich dich
aufwecken kann. Du musst mir helfen! Ich schaffe das nicht allein!
    Was ist mit
Claire?
    Sie hängt
noch.
    Hol sie auch
runter! Schnell!
    Ich
versuch’s! Und du versuch bitte, aufzuwachen! Sonst sind wir alle verloren!
    Ich
durchschneide noch rasch seine Fesseln, sodass seine Hände nicht mehr
zusammengebunden sind, dann renne ich zu Claire. An ihr hochzuklettern, fällt
mir noch viel schwerer, denn sie sieht so zart und zerbrechlich aus, dass ich
Angst habe, ihr mehr zu schaden als zu nützen. Aber wenn ich sie hier hängen
lasse, ist sowieso alles vorbei. Also überwinde ich meine Scheu und lege ihr
meine Hände auf die Schultern, um das gleiche Manöver wie bei Arik zu
versuchen.
    Doch kaum
berühre ich sie, passiert etwas Unerwartetes. Sie zuckt zusammen und sieht mich
dann direkt an. Vor lauter Schreck lasse ich sie los. Sofort verlässt sie
wieder jeder Hauch von Leben. Vorsichtig lege ich wieder eine Hand auf ihre
Schulter. Das Leben kehrt in ihre Augen zurück. Ihr Blick wirkt, als wäre sie
aus einem langen, unerfreulichen Traum erwacht. Ihre Augen sind leuchtend
meerblau.
    Ich kenne
dich! Auch sie höre ich nur in meinem Kopf.
    „J… ja“, stottere
ich überrumpelt. Meine Stimme klingt fremd in meinen Ohren. „Entschuldige,
aber… wir haben keine Zeit. Ich muss dich irgendwie hier runterkriegen.“
    „Runter?“ In
natura klingt ihre Stimme wunderschön, sanft und doch stark, wie eine Glocke.
Wie Jays Stimme, nur weiblicher. „Warum?“ Sie sieht mich erstaunt an, dann
folgt sie meinem Blick nach oben. Als sie ihre gefesselten Hände erblickt,
weiten sich ihre Augen. „Oh! Moment.“ Sie bewegt kurz ihre Hände hin und her,
als wollte sie sich aus den Fesseln herauswinden, und steht plötzlich frei vor
mir.
    Ich weiche einen
Schritt zurück und sehe dann fassungslos nach oben, wo die nun leeren Seile hin
und her schwanken. „Wie hast du das gemacht?“
    „Duhast
das gemacht“, erwidert sie überrascht. „Du hast mich doch berührt. Wie sollen
mich da ein paar Seile noch halten?“
    Ich beschließe, alle
weiteren Fragen (und ich hätte da eine ganze Menge) auf später zu vertagen
(falls es ein Später gibt). Jetzt gibt es Wichtigeres zu tun. Arik liegt immer
noch regungslos auf dem Boden. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu. „Weißt du
vielleicht auch, wie wir ihn wieder aufwecken können?“
    Jetzt erst sieht
sie ihren Sohn. Mit einem Schritt ist sie bei ihm und kniet sich neben ihn.
„Ariel! Mein Liebling! Wach auf! Ich bitte dich!“ Ich höre ihre Stimme
gleichzeitig im Gewölbe und in meinem Kopf hallen und sehe, wie sie ihre Hand
sanft an seine Wange legt.
    Im selben
Augenblick kehrt auch in seine Augen das Leben zurück und er fasst sich
stöhnend an den Kopf. „Au! Verdammt!“
    „Arik! Du lebst!
Du bist wieder da!“ Ich will mich neben Claire werfen, bleibe dann aber im
letzten Augenblick stehen. Ich glaube nicht, dass er mich bei sich haben will.
    Langsam wendet
er mir seine Augen zu. „Clarissa!“
    Jetzt sieht auch
Claire mich an. „Clarissa? Du bist Clarissa?“ Ihr Blick verfinstert sich.
    Ich spüre einen
dumpfen Schmerz in meinen Eingeweiden. Langsam weiche ich ein paar Schritte
zurück. „Wir müssen uns beeilen. Die Wächter können jeden Moment hier sein. Wir
müssen weg!“
    Das bringt
Bewegung in die beiden. Arik richtet sich auf und ergreift die Hand

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