Zurueck in die Nacht
von Fackellicht wahr. Vielleicht befinde
ich mich ja tatsächlich auf dem richtigen Weg. Erst jetzt fällt mir ein, dass
ich nicht im Geringsten vorbereitet bin auf eine gewaltsame Befreiungsaktion. Das
Messer, das Jay mir geschenkt hat, liegt zusammen mit meinen anderen Klamotten
in meinem Rucksack oben in der Kammer. Auch mein Ausweis liegt dort, mein Geld
– einfach alles. Ich habe noch nicht einmal eine Jacke an. Ich sollte zurück
gehen und mich wenigstens ausrüsten, wenn ich schon keinen Plan habe. Aber wenn
ich jetzt umdrehe, wer weiß, ob ich jemals wieder hierher finde? Wer weiß, ob
sich noch mal die Gelegenheit bietet, alleine so weit zu kommen? Wer weiß, ob
nicht Jay meine Absicht erkennt, sobald er mir wieder gegenübersteht? Ich kannnicht umdrehen. Ich muss es jetzt tun oder nie. Und, ehrlich gesagt, glaube
ich sowieso nicht, dass ich jemals lebend hier wieder rauskomme. Also kann ich
wohl genau so gut auf meine Sachen verzichten.
Ich schleiche
auf Zehenspitzen und mit angehaltenem Atem den Gang entlang. Jeden Moment kann
die Wache vor mir stehen. Ich hoffe, ihr wenigstens nicht genau in die Arme zu
laufen. Gerade noch rechtzeitig spüre ich sie auf einmal vor mir. Als mir klar
wird, dass es ihr mit mir vermutlich genau so geht, stürze ich vorwärts.
Die Wächterin –
ich kann mein Glück kaum fassen, dass es tatsächlich eine Frau ist, auch wenn
das nichts heißt, denn sie hat mit Sicherheit viel mehr Kampferfahrung als ich
– zuckt zusammen, als sie mich und meine Gedanken gleichzeitig bemerkt, und
springt vor. Jetzt macht sich mein intensives Training mit Jay bemerkbar. Ohne
auch nur eine Sekunde nachzudenken, reagiere ich instinktiv und bücke mich
gerade noch rechtzeitig, bevor ihre Faust an meine Schläfe knallt. So spüre ich
nur den Luftzug, als die Faust an mir vorbeischießt. In derselben Sekunde ramme
ich ihr meinen Ellenbogen in den Magen. Sie krümmt sich zusammen und ich ziehe
mein Knie hoch. Ihr Kinn knackt, dann bricht sie zusammen. Die ganze Aktion hat
höchstens fünf Sekunden gedauert, aber ich fürchte, dass sie trotzdem um Hilfe
gerufen hat. Mir bleibt nicht viel Zeit.
Ich renne, so
schnell ich kann, in das Gewölbe hinein und bremse dann abrupt, als ich Arik
und Claire vor mir sehe. Sie sehen haargenau so aus wie beim ersten Mal und das
macht es umso gruseliger. Sie wirken immer noch wie tot. Arik! Hörst du
mich? , schreie ich panisch, während ich zu ihm renne und verzweifelt überlege,
wie ich ihn von seinen Fesseln befreien kann. Jetzt könnte ich mein Messer
verdammt gut gebrauchen!
Clarissa! Was
ist los? Seine Stimme klingt erschreckt. Was hast du?
Ich bin hier,
bei dir, aber ich weiß nicht, wie ich dich da runterholen kann!
Nein! Hau ab!
Die kriegen dich!
Nein.
Ich versuche, zu
ignorieren, dass er weiter in Gedanken auf mich einschreit, und sehe mich
hektisch um. Ich brauche ein Messer! Aber woher nehmen? Plötzlich fällt mir die
ohnmächtige Wächterin ein. Ich renne zurück zu ihr und durchsuche sie, so
schnell ich kann. Sie stöhnt leise, und sicherheitshalber schlage ich ihr noch
einmal den Kopf auf den harten Steinboden. Es knirscht, mir läuft ein Schauer
den Rücken runter, dann ist sie vollkommen still. Ich bete, dass ich sie nicht
umgebracht habe, dann stoße ich einen leisen Jubelschrei aus. Sie hat
tatsächlich ein Messer, das meinem sehr ähnlich sieht. Gehört wahrscheinlich
zur Standard-Wächterausrüstung.
Mit dem Messer
in der Hand rase ich zu Arik zurück und stehe dann buchstäblich vor dem
nächsten Problem. Denn er hängt so hoch, dass ich nicht an das Seil herankomme,
mit dem seine Handgelenke an der Decke befestigt sind. Und im ganzen verdammten
Saal gibt es absolut nichts, worauf ich klettern könnte. Außer… Ich atme einmal
tief durch, nehme das Messer zwischen die Zähne und lege dann meine Hände
entschlossen auf Ariks Schultern, die ich gerade noch so erreiche. Ich bin
heilfroh, dass er gesagt hat, er spürt rein gar nichts, schicke aber trotzdem ein
stummes Sorry zu ihm. Dann ziehe ich mich an ihm hoch.
Zweimal rutschen
meine Hände wieder ab, so zittere ich, als ich ihn so nah an mir spüre. Und so
leblos. Es ist, als klammere ich mich an einen Sack. Beim dritten Mal kralle
ich mich so in seine Schultern, dass er wahrscheinlich schreien würde, wenn er
denn etwas fühlen könnte. Ein Blick nach oben zeigt mir, dass seine Handgelenke
durch mein zusätzliches Gewicht in den engen Fesseln anfangen zu bluten. Dabei
sind seine
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