Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Hirnströmen messen und Veränderungen im Stoffwechsel feststellen. Er hat mit Tranh Tuan Khanh zusammengearbeitet. Du erinnerst dich sicher an ihn. … Oh. Entschuldige.“
„Das macht nichts, Erika, wirklich nicht. Und ich erinnere mich tatsächlich an ihn. Er hat mich gelehrt, meine Energie in geordnete Bahnen zu lenken, mich zu beherrschen und zu organisieren. Und mit meiner Andersartigkeit zu leben.“
„Ihm ist aufgefallen, dass du dich häufig in Trancezuständen befandest. Es war beinahe ein Normalzustand bei dir. Khanh ist es schließlich gelungen, mit hypnotischen Techniken diese Zustände aufzulösen und an den Traumata zu arbeiten. Es war so leicht, dich in Trance zu versetzen, was für uns ein Zeichen dafür war, dass du seit den ersten Lebensjahren unbewusst Methoden der Selbsthypnose verwendet haben musst. Das machte dich allerdings auch empfänglich für fremde Botschaften.“
„Fremde Botschaften. Das war sein Ziel, mich zu einem willenlosen Werkzeug zu machen. Auf der einen Seite als unbescholtener Bürger ein normales Leben führen, eine Familie gründen, arbeiten gehen, auf der anderen ein Roboter , der hypnotischen Befehlen gehorcht. Er hätte mich zu allem Möglichen benutzen können, als Drogenkurier, Attentäter, Spion – je nachdem, wonach ihm gerade der Sinn gestanden hätte. Doch dazu mussten sie herausfinden, welche bewusstseinsverändernden Drogen sich am besten eignen, um mich gegen meinen Willen in eine hypnotische Trance zu versetzen und mein Bewusstsein zu dominieren. Sie mussten traumatisierende Schockzustände herbeiführen, um meinen Willen zum Widerstand zu brechen, stärkste physische Schmerzen und psychische Folter einsetzen. Elektroschocks in Körperöffnungen sind äußerst schmerzhaft, aber kaum nachweisbar. Sie waren hervorragend ausgerüstet, hatten sogar ein EEG zum Messen der Gehirnströme, um nicht zu weit zu gehen. Wenn das Opfer todesnahe Erfahrungen durchmachen muss, sitzen die posthypnotischen Befehle, die sie ihm erteilen, besonders fest. Was stand auf den ersten Seiten der Patientenakte?“
Erika schüttelte heftig den Kopf.
„I st es wahr, womit sich mein … der Marquess brüstete? Er hat mich bereits … als Baby missbraucht. Und damit multipel gemacht. Habt ihr das festgestellt, als ich vor eurer Tür stand und ihr mich aufgenommen und gerettet habt?“
„Du warst ein unwahrscheinlich wissbe gieriges Kind. Fast schien es, als wolltest du in kürzester Zeit nachholen, was man dir bis dahin an Normalität vorenthalten hatte. Du hast derart schnell sprechen gelernt, dass es uns beinahe unheimlich war. Und wie du mit den Fachbegriffen hantiert hast – einfach unglaublich! Immer, wenn du uns besucht hast, wolltest du mit zur Visite oder in den OP. Du hast die Kranken aufgeheitert und deinen ersten Verband gelegt, noch bevor du schreiben konntest. Du hattest unendlich viele Fragen. Da war es lediglich eine Frage der Zeit, bis du deine Krankenakte lesen würdest. Wir waren uns einig, dass du es nicht erfahren durftest. Du solltest unbelastet von deiner Vergangenheit aufwachsen.“
„Warum musste erst so etwas passieren, damit mir endlich klar wurde, dass ihr stets das Beste für mich gewollt habt? Ich habe drei Jahre in vollkommener Würdelosigkeit verbracht. Ich fühlte mich nicht einmal mehr wie ein Mensch. Sie haben mich zu einem Tier gemacht, das um die Aufmerksamkeit seines Herrchens bettelt und ihm für ein einziges Wort, eine … eine Berührung, egal … welche, die Füße geleckt hat. Es gab dort … Sie hatten Hunde und Pferde … abgerichtet … Ihnen habe ich zu verdanken, dass ich zu einer Kreatur verkommen bin.“
Er rang nach Selbstbeherrschung und seine Stimme klang halb erstickt. „Und doch habe ich sie willkommen geheißen, als sie mich aufsuchten. Um mich zu schlagen, zu missbrauchen, die Tiere auf mich … zu hetzen, was auch immer sie mir antun wollten – es war mir gleich, wenn sie mich nur spüren ließen, dass ich noch war.“
Er hielt einen Moment inne, um wieder zu Atem zu kommen , biss sich fest auf die Lippen. Sein Gesicht war feucht, diesmal allerdings nicht von Tränen.
„ Erst heute weiß ich eure Fürsorge zu schätzen, für die ich euch so selten gedankt habe. Bis vor kurzem konnte ich mir nicht erklären, warum ihr euch mit eurer Liebe vor allem auf mich gestürzt habt, obwohl ihr doch ebenso Danilo für ein Waisenkind halten musstet.“
Er tastete nach Erikas Hand und presste sie an seine Brus t. „Eigentlich
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