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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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vorgestellt, es wäre … der andere, den sie missbrauchen, der Junge. Florentin. Nicht ich. Ich habe mich von diesem Körper getrennt, weil ich es auf diese Weise nicht mehr gespürt habe. Ich musste mich selbst spalten, damit er nicht mehr zu mir gehört. Florentin ist in dem Keller geblieben, ist dort gestorben, ohne zu erfahren warum. Und jetzt weiß ich nicht mehr, wer ich bin. Denn es geht nicht weg. Wenn du es erst einmal in dir hast, bleibt es da auch. Für alle Zeiten. Und es hört nie auf. Niemals.“
    Seine Stimme war elend und voller Verzweiflung. Er hielt inne, hob den Kopf in Erikas Richtung und wandte sich schnell wieder ab. Dann begann er aufs Neue am ganzen Körper zu zittern und Erika betete, er möge aufhören. Sie wollte ihm sagen, dass er nicht weitererzählen brauchte, weil es ihn zu sehr schmerzte, aber sie biss sich auf die Lippen und legte die Arme um seine Schultern, obwohl sie spürte, wie er sich versteifte. Sacht wiegte sie ihn hin und her, minutenlang, bis sich sein Herzschlag und seine Atmung beruhigten.
    „ Es gibt nicht bloß Florentin.“ Seine rechte Hand ballte sich zur Faust. „Ich habe mich mit Psychologie beschäftigt, notgedrungen zunächst, bis Sina … Bertram mit mir darüber geredet hat. Du erinnerst dich, dass mich der Professor zu ihr schickte, um unsere Teilnahme an diesem Kongress vorzubereiten. Sie hat mich an das Thema dissoziative Identitätsstörung herangeführt. Zunächst habe ich keinen Gedanken daran verschwendet, auf mögliche Parallelen zu achten, weil ich doch lediglich mein Referat ausarbeiten wollte. Es kam mir überhaupt nicht in den Sinn, nach einem Zusammenhang zu suchen, bis ich über einzelne Thesen stolperte, Formulierungen, Beschreibungen und Berichte, deren Quintessenz mir vage bekannt vorkam, sodass ich mich während einer Sitzung bei Sina in Trance versetzen ließ.“
    Er erzählte ihr alles, stockend, stotternd, manchmal weinend, und viel mehr, als sie ertragen konnte . Und Erika hörte ihm weiter still zu, gab ihm ohne Worte zu verstehen, dass sie für ihn da sein und ihn tröstend in den Armen halten würde, während sie seinen Schmerz teilte.
    „Da begann ich zu ahnen, was mit mir nicht stimmt. Ich war amnestisch für dieses Trauma, meine Vergangenheit, hielt es jedoch für eine Folge der Misshandlungen in der Army. Bis urplötzlich Empfindungen und Bilder zutage traten, die mir bis dahin vollkommen fremd waren. Ich kam nicht mehr dazu, euch nach Einzelheiten zu fragen“, endete er heiser und erschöpft vom Reden. „Ich habe gesehen, dass vor vierunddreißig Jahren das Gleiche passierte. Mit meinem Körper. Zu der Zeit, als der Erste, Simeon, auftauchte.“
    Die alte Frau presste sich die Faust vor den Mund, um nicht aufzuschreien. Ja, sie wusste es. Sie hatte es von Anfang an gewusst. Wie gestern stand wieder dieses Bild vor ihrem Auge, das sie nicht vergessen hatte. Nie vergessen konnte. Ein kleiner, unterernährter Junge mit Lockenschopf und unheimlichen, beinahe schwarzen Augen, in denen lediglich ein schmaler Rest der blauen Iris zu sehen war, stolperte auf den jungen Doktor Vogel zu und versuchte zielgerichtet, ihm die Hose zu öffnen. Nach der ersten Schrecksekunde und einigen vergeblichen Anläufen, mit dem Kind Kontakt aufzunehmen, kamen Doktor Vogel und sie dahinter, dass Angel Hunger hatte. Er hatte nur Hunger!
    Und es dauerte noch mehrere Tage, bis der Kleine begriff, dass er bloß sagen musste, wenn er etwas essen oder trinken oder ein Spielzeug haben wollte. Dass niemand von ihm eine Gegenleistung dafür for derte. Schon gar nicht etwas Derartiges!
    Angel wischte sich mit einer hastigen Handbewegung die Tränen von den Wangen. „Ihr habt meine Krankenakte gefälscht“, bemerkte er mit einer Spur Bewunderung in der Stimme. „Und offenbar dermaßen gekonnt, dass es niemandem aufgefallen ist.“
    „Oh, Junge …“
    „Es bleibt nicht mehr viel Zeit“, sagte er, ohne dass jetzt noch eine Gefühlsregung auf seinem schmalen Gesicht auszumachen war.
    „Der Professor hat die Ergebnisse seiner Untersu chungen nach deinem Auffinden geändert. Ja, du hast Recht“, flüsterte die Oberschwester schwach. „Als ich ihn darauf ansprach … Wir waren überzeugt, das Richtige zu tun. Angel, du solltest es nicht erfahren. Er war der Erste, der die Spuren der schweren Misshandlungen bemerkte. Nicht nur die Knochenbrüche, Verbrennungen und Narben, Quetschungen und Blutergüsse, er konnte ebenso massive Veränderungen in deinen

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