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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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nicht unterdrücken, die heiß in ihm aufstiegen und ihn verbrannten.
     
    Sie hatte dem Drängen des Jungen lange widerstanden. Und dann doch – wie bei seinem Vater vor dreißig Jahren – nachgegeben. Diesem aufgeweckten Kerlchen mit den leuchtend blauen Augen konnte man einfach keine Bitte abschlagen. Und so hatte sie Nicolas durch die Tür zu Angels Krankenzimmer geschoben, während die Stationsschwester damit beschäftigt war, ihren Patienten zum Essen zu bewegen.
    Seitdem stand Oberschwester Erika mit zusammengepressten Lippen an der Glasfront des Zimmers, die Hände vor der Brust zu einem stummen Gebet gefaltet und beobachtete die erste Begegnung von Vater und Sohn. Angels neuerlicher Wutausbruch bei der Ankündigung eines Besuchers ließ ihr krankes Herz schmerzen. In diesem Moment war es bereits zu spät gewesen, Nicolas zurückzuhalten. Zu lange hatte der Junge auf seinen Vater warten müssen und sich jetzt aus ihren Armen gerissen.
    Die Jahre in Gefangenschaft hatten Angel auf das Furchtbarste nicht nur körperlich verändert. Aber warum musste er seinen Zorn an allem und jedem auslassen? Sie wollten ihm helfen. Er dagegen stieß seine Freunde von sich. Warum ließ er keine Liebe mehr zu?
    Dann jedoc h sah Erika entgeistert, wie Angel unbeholfen zunächst, nichtsdestotrotz voller Zärtlichkeit und Stolz dem Kleinen übers Haar strich und der Panzer um sein Herz zerbrach. Tränen der Erleichterung füllten ihre müden Augen.
    „Na, du Zauberer. Wie lange willst du deinen Sohn noch warten lassen? Ihn und Lucas und all deine Freunde?“
    Angel schrak zusammen, als er die schwache Stimme der Oberschwester neben sich hörte. „Erika?“
    „Mein Junge.“ Sie legte ihm ihre Hand auf den Arm und er spürte, wie sie bebte.
    „Warum hast du dem Kleinen solch einen Unsinn erzählt? Von wegen Zauberer …“
    Die Anwesenheit der alten Schwester machte ihn verlegen. Er war erfüllt von Scham und wandte den Kopf ab, als hätte er Angst, der Frau in die Augen sehen zu müssen.
    „Nic liebt dich schon jetzt über alles. Er glaubt an dich, wahrscheinlich mehr als wir alle. Solltest du nicht auch wieder damit beginnen? Bitte, versuche es. Tu es für Nic.“
    Er wollte widersprechen, fand indes nicht die passenden Worte. Was sollte er erwidern, da es doch offensichtlich war, wie Erika Recht hatte?
    „Verzeih mir all den Ärger und Kummer, den ich dir bereitet habe. Ich weiß, was ich dir verdanke. Trotzdem habe ich dir wehgetan. Ich muss von Sinnen gewesen sein.“
    „Ist schon gut, mein Junge.“
    Ihr Blick streifte den feuchten Fleck auf dem Boden, der nach dem Aufwischen an der Stelle zurückgeblieben war, wo Nic den Teller mit Angels Mittagessen hatte fallen lassen. „Was … was war mit dem Essen?“
    Angel wich unvermittelt zurück und würgte voll Ekel. Wie um sich vor ihren Worten zu schützen, legte er die Hände über den Kopf. „Nicht. Nein, ich will das nicht. Geh, Erika.“
    Im gleichen Augenblick schüttelte ein Krampf seinen ausgemergelten Körper und er musste sich übergeben. Erika hielt ihm den Kopf, bis sein Magen nicht einmal mehr Galle, sondern nur noch Blut hergab, und wusch ihm anschließend das Gesicht ab.
    „E s tut mir leid“, entrang es sich seiner keuchenden Brust. „Ich … ich kann es nicht. Ich kann nichts mehr bei mir behalten. Es erinnert mich … es … es geht nicht. Ich ertrage diese Dunkelheit nicht länger. Jede Nacht kommen die Erinnerungen an … an ihn! Er zerrt mich an den Haaren hoch, wenn ich auf Knien vor ihm liege, ein winselnder, kleiner Wurm, den er jederzeit zertreten könnte, wenn er es wollte. Aber er tut es nicht! Ich flehe ihn an, mich zu töten. Immer wieder. Immer wieder, verstehst du, weil ein Mensch so nicht leben kann. Er macht sich … ein Vergnügen daraus, mich zu erniedrigen. Und er droht damit, Karo und die Jungs zu holen, wenn ich … wenn ich ihm nicht … zu Willen bin. Er kommt jede Nacht und um mich ist nichts als Nacht! Sie hatten mich alle vergessen. Alle.“
    Erika brachte keinen Ton über die Lippen und ließ sich neben Angel auf den Bettrand nieder. Sie hatte Angst, ihn zu berühren, dennoch wollte sie ihn in die Arme nehmen, wagte es aber nicht.
    „Oh Gott, Angel, was haben sie dir angetan?“ , flüsterte sie unter Tränen.
    „ Niemand kam, um sie davon abzuhalten, mich zum Tier zu machen. Sie hatten mich vergessen. Also musste ich so tun, als würde das einem anderen passieren. Ich wäre sonst verrückt geworden. Ich habe mir

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