Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Foltern, die er zu ertragen hatte. Er wollte ganz einfach nur dazu gehören.
Oder endlich sterben.
„Ich habe meine Mami nämlich sehr lieb“, flüsterte Nic seinem Vater ins Ohr.
„ Ja.“ Ein kurzes Aufblitzen in Angels Augen verriet ihn. „Ich liebe sie …“
Angel biss sich auf die Unterlippe. Es kostete ihn einige Mühe, sich zu bremsen und seiner Schwärmerei für Karo nicht freien Lauf zu lassen. Er würde den Jungen zweifellos mit seiner Begeisterung für seine Mutter verwirren. Konnte ein Kind sein verstehen? Es war unmöglich, dass seine Mami zwei Männer liebte.
Angels Herz zersprang in tausend Stücke. Karo war für alle Zeiten tabu für ihn.
„Ja, das ist gut“, sagte er langsam.
Er hob den Kopf und lauschte angestrengt. War Nicolas noch hier? Der Junge gab keinen Laut von sich , trotzdem fühlte er dessen aufmerksame Augen auf sich gerichtet. Nic beobachtete ihn. Worauf wartete er?
Zögerlich durch brach der Kleine das Schweigen. „Dani hat Mami auch sehr lieb.“
Wie von einem Peitschenhieb getroffen wich Angel zurück. Jede Faser seines geschundenen Körpers schrie vor Schmerz auf. Oh mein Gott, warum? Warum erlöst du mich nicht von diesen Qualen? Karo liebt meinen Bruder und hat mich für immer verlassen. Ich will es nicht mehr hören! Ich ertrage es nicht!
„Und Lucas hat Mami und Dani lieb.“
Angel schluckte hastig und wandte den Kopf von Nic ab, während er betete, der Junge möge seine feuchten Augen nicht bemerken. Mit belegter Stimme krächzte er: „Alle lieben deine Mami. Sie ist der beste Mensch, den ich kenne.“
„Und Dani?“
„Ist auch der Beste.“ Er hörte Nics belustigtes Kichern.
„Und Eri?“
Angel stöhnte innerlich auf. War er der Logik dieses Kindes nicht gewachsen? War es denn möglich, dass der kleine Wicht auf irgendetwas Bestimmtes hinauswollte? Oder erkannte er die Wahrheit selbst hinter Masken und Lügen? Oder in blinden Augen und zerbrochenen Herzen?
„Und …“, Nic schien angestrengt in seinem Gedächtnis zu kramen, „Beate und Alain?“
Ein gewaltsamer Ruck ging durch Angels Körper. Irgendetwas Eiskaltes schien über die Innenseite seines Magens zu kratzen. Die Haare auf seinen Armen richteten sich auf. Er konzentrierte sich auf seine Atmung, die außer Kontrolle geraten wollte. Verstohlen ließ er seine Hände unter die Bettdecke gleiten. Er hatte keine Gewalt mehr über ihr Zittern.
„Ich … ich kenne …“ Angel räusperte sich. „Beate und Alain kenne ich nicht. Doch ich bin überzeugt, dass sie deine Mami genauso gern haben wie wir alle.“
S ag es nicht. Nic, bitte, hör auf mit deinen Fragen! Ich flehe dich an.
„Dani kann ganz gut kochen.“
„Oh, das weiß ich . Als du noch nicht geboren warst, haben Dani und ich in einer Wohnung gelebt. Er hat uns oft etwas Leckeres gekocht und wir hatten viel Spaß dabei.“
„Und das hier?“
„Möchtest du es für mich probieren?“ Angel schluckte angewidert beim Gedanken an das Essen. Seine Kehle schnürte sich zusammen. Nein, er würde seinem Sohn diesen Gefallen nicht tun können. „Sei mir nicht böse, Nicolas, ich habe jetzt keinen Hunger. Wirklich, ich mag nichts essen. Nimm die Gabel und stell den Teller weg, ja?“
Instinktiv war der Junge zurückgewichen. Da schwang ein gefährlich kalter Unterton in Angels Stimme, der ihm plötzlich Angst machte.
„Es schmeckt gut“, unternahm Nicolas einen weiteren zaghaften Versuch, den Vater zum Essen zu bewegen. „Du hast gesagt, dass ich fliegen werde.“
„Nicolas, ich kann nicht mehr essen. Du weißt, ich bin … ich bin sehr krank. Nicht nur meine Augen. Wenn ich etwas esse, bekomme ich immer ganz schlimmes Bauchweh. Das willst du bestimmt nicht. Du kannst den Teller Eri bringen. Wo ist sie eigentlich?“ Seine Stimme klang gepresst, er schluckte ununterbrochen und atmete schneller.
Der Junge blickte den Mann aus großen Augen traurig an und ging zögerlich einen weiteren Schritt zurück. Er konnte es nicht verstehen.
„Papi …“
„Geh, Nic! Geh endlich!“
Wie versteinert vor Schreck stand Nicolas, seine Mundwinkel verzogen sich weinerlich nach unten. Der Teller glitt aus seinen Händchen und schlug auf dem Boden auf.
Angel hörte, wie die Tür aufgerissen wurde und sein Sohn immer wieder schrie: „Nein! Papi! Lass t mich los! Lasst miiich! Ich will zu meinem Papa! Mein Papi ist ganz lieb. Er soll kein Bauchweh haben!“
Gequält hielt Angel beide Hände auf die Ohren gepresst. Er konnte die Tränen
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