Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
schon zur Nazi-Zeit die ersten öffentlichen Fernsehübertragungen.« Er musterte angewidert seine Tasse. »Bei den Olympischen Spielen 1936.«
Emily legte den Kopf schief. »Warst du dabei?«, fragte sie.
Matt hob die Augenbrauen. »Bei der Live-Übertragung? Nein.«
Er ließ seinen Blick über sie hinweggleiten, ans andere Ende der Lobby, vorbei an den fernseh-gebannten Zuschauern, der imposanten Fensterfront, dem eleganten Eingang mit Drehtür und uniformiertem Portier hin zu einem Durchgang, der offenbar in einen angrenzenden Raum führte. Seine Augen verengten sich, und Emily lief ein Schauer über den Rücken.
Liebe Güte, sie war aufgeregt. Und Matt war so – er war so sicher, so konzentriert, sein ganzer Körper schien angespannt zu sein. Irgendetwas von dieser Energie färbte auf Emily ab und ließ ihre Nervenbahnen vibrieren. Sie räusperte sich unauffällig und setzte sich noch ein wenig aufrechter auf ihren Hocker.
Sie würde nie aufhören können, sich über Matt zu wundern. Darüber, wie er lebte, was er erlebt hatte, was er gesehen haben mochte.
Sie würde nie aufhören können, sich zu fragen, wie es wohl wäre, das alles mit ihm zu teilen. Mehr Zeit mit ihm zu verbringen – viel mehr. All diese Abenteuer mit ihm gemeinsam zu bestehen.
Ihn zu küssen.
»Nervös?«
Matts Frage riss Emily jäh aus ihren Gedanken und sie hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Ihre Wangen nahmen Farbe an.
»Himmel, was ist denn mit dir los?«, fragte Matt und warf einen raschen Blick über seine Schulter, als sei der Grund für Emilys Entsetzen hinter ihm zu finden. Als er sich ihr wieder zuwandte, hob er fragend die Augenbrauen.
»Ähm, nervös«, murmelte Emily nickend und ließ ihre Hand sinken.
Gott, bin ich bescheuert, schoss es ihr durch den Kopf.
Matt lächelte ihr zu. Er warf noch einmal einen Blick über Emily hinweg, dann ließ er sich von seinem Barhocker gleiten. »Komm mit«, sagte er, während er einige Münzen auf den Tresen legte und ihren Arm nahm. Er ließ sie los, sobald sie von ihrem Sitz geklettert war und hielt auf den Durchgang zur Lobby und schließlich auf die Tür zum Nebenraum zu. Emily musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten.
»Je eher wir das hinter uns haben, desto besser wird es dir gehen«, raunte er ihr zu, als sie den Eingang fast erreicht hatten.
Emily blieb stehen.
»Was, wenn sie dich erkennen?«, flüsterte sie.
Matt runzelte die Stirn. »Das sollte lieber nicht passieren«, gab er ebenso leise zurück. »Also hoffen wir mal, dass du vorhin recht hattest: Womöglich kommt es auf den Zusammenhang an. Hier rechnen sie nicht mit mir.« Er wollte sich schon wieder in Bewegung setzen, da hielt Emily ihn am Ärmel fest.
»Wie wäre es mit … ich weiß nicht, einer Baseball-Kappe oder so etwas«, wisperte sie.
Ein Grinsen breitete sich auf Matts Gesicht aus und zauberte das Grübchen hervor. »Niedlich, Watson«, gab er flüsternd zurück. »Aber meinst du nicht, das wäre noch ein bisschen auffälliger – zumindest hier?« Er lächelte sie an. »Mach dir keine Sorgen«, fügte er hinzu, »ich pass’ schon auf.«
Damit schob er sie vor sich in Richtung Tür und hindurch, und Emily hielt den Atem an.
Der Saal war sicherlich viermal so groß wie die Lobby, durchzogen von mächtigen, marmorierten Säulen und gefüllt mit Menschen, überwiegend Männern, die sich an Stehtischen miteinander unterhielten oder an den Infoständen, die beide Längsseiten des Raumes pflasterten. Die Wände waren mit Kassetten aus dunklem Mahagoni getäfelt, die der Halle die Atmosphäre eines altehrwürdigen Bridge-Clubs verliehen. Einzig die zahllosen, geschmacklosen Jackets verdarben das Bild. In der Mitte der Fläche, hoch über den Köpfen der Anwesenden, schwebte eine Kuppeldecke mit Malereien, die Emily an eine Kirche erinnerten. Oder besser eine Kathedrale. Sie hatte jedenfalls selten einen derart beeindruckenden Raum gesehen, und er machte sie schwindelig.
»Mannomann«, murmelte sie und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Die Kunststoffsohlen ihrer Ballerinas klackerten auf dem blitzblanken Steinboden und mischten sich mit dem Surren und Brummen der männlichen Stimmen. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Menschen sich in dem Raum befanden, dafür war er schlicht zu weitläufig, doch mit dieser Menge an Gesichtern hatte Emily nicht gerechnet. Sie mussten in eine Art Pause hineingeraten sein.
Ihre Augen scannten die
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