Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Fülle an beigen und hellblauen Anzügen aus besten »Miami Vice«-Zeiten, doch ihren Vater entdeckte sie nicht. Die einzigen Frauen, die sie bislang ausmachen konnte, waren in Schwarz-Weiß uniformierte Kellnerinnen, die Tabletts mit Getränken durch die Menschenmenge manövrierten, aber auch hier erkannte sie nicht das von ihr gesuchte Gesicht.
Sie zuckte zusammen, als ein grauhaariger Herr mit Schnauzbart und Schulterpolstern sie auf seinem Weg zum Ausgang anrempelte. Er bat um Verzeihung, warf ihr aber dennoch einen angewiderten Blick zu. Emily biss sich auf die Lippen. In diesem Meer aus Anzugträgern stach sie mit ihren lila Strähnen und der pinkfarbenen Leggings heraus wie ein Zirkusclown auf einer Beerdigung, und sie schalt sich innerlich dafür, dass sie auf Joe und Silly gehört hatte. Sie hätte sich wie Matt in »Funnys Flowerhouse« umziehen sollen. Wie konnte sie hier nicht auffallen, zwischen all den Ärzten und vor allem Männern ?
Emily wollte Matt eben um den Zimmerschlüssel bitten, da sah sie aus den Augenwinkeln am anderen Ende des Raums eine ähnlich schrille Haarfarbe aufblitzen wie ihre eigene. Sie wandte den Blick in die Richtung und suchte die Menschenmenge ab, und dann verschluckte sie sich fast: Dort an der Wand, am Rahmen einer Schwingtür, die vermutlich in eine Küche führte, lehnte eine große, wunderschöne Frau in einem eleganten, nachtblauen Kostüm, das von einer feuerroten, wallenden Mähne umschmeichelt wurde.
Eve.
»Um Himmels willen!«, japste Emily und wollte Matt am Arm fassen, doch da war kein Matt. Verblüfft schaute sie sich um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Instinktiv drängte sie sich durch die Menge auf den rechten Rand des Saals zu, und als sie eine der Säulen passierte, nahm er plötzlich ihre Hand und zog sie zu sich heran. Emily quiekte vor Überraschung, fing sich aber gleich wieder und schob Matt ihrerseits noch ein wenig näher an den Pfeiler.
»Hey«, protestierte Matt flüsternd, aber seine Augen blitzten. »Beruhige dich, ich hab’ sie auch gesehen. Du bist ja aufgeregter als eine Katze, die in die Badewanne gefallen ist.«
»Das ist ein ziemlich seltsamer Vergleich«, murmelte Emily irritiert, während sie versuchte, an Matt vorbei hinter der Säule hervorzuschauen. »Hat sie dich entdeckt?«
Matt schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht.« Er warf ebenfalls einen raschen Blick über seine Schulter. »Noch nicht. Aber das vereinfacht die Sache auch nicht gerade.«
Emily zog die Augenbrauen hoch. »Womöglich wäre die Baseballkappe doch keine so schlechte Idee gewesen«, bemerkte sie spitz.
Matt erwiderte ihren Blick ungerührt. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass er ihr eigenes Outfit auch nicht gerade für die perfekte Tarnung hielt, er sagte jedoch nichts dergleichen. Stattdessen antwortete er: »Ich werde mit Joe reden müssen, wenn wir ihn das nächste Mal treffen.«
Emily seufzte. Sie standen immer noch dicht an die Säule gepresst, umringt von wissbegierigen Männern, die sich neben ihnen um einen Informationstisch drängten. »Laproskopische Grundtechniken« war auf dem Plakat dahinter zu lesen, und Emily schauderte. Ja, sie wollte Medizin studieren und in die Fußstapfen ihres Vaters treten – zumindest hatte sie das bisher immer geglaubt. Der Gedanke an Schnitte und Blut und innere Organe jedoch erfüllte sie mit Grauen. Chirurgie war eindeutig nicht der richtige Fachbereich für sie, und das wusste sie nicht erst, seit Quayle sie aus Hollyhill entführt hatte.
Quayle. Er musste hier irgendwo sein.
Sie sah zu Matt auf, der die Gesichter vor ihnen durchforstete. »Es sind zu viele Menschen hier«, stellte sie fest. »So werden wir ihn nie finden.« Sie machte eine Pause und dachte angestrengt nach. Viel einfacher wäre es, sich an Eve zu hängen und über sie Josh und ihre Mutter ausfindig zu machen. Auf diese Weise würden sie Quayle schnell finden – doch Emily war klar, das Matt ihren Vorschlag ablehnen würde, noch bevor sie ihn aussprechen könnte.
»Was ist das da vorn?«, fragte sie stattdessen. Matt folgte ihrem Blick zu einer überdimensionalen Flügeltür aus dunklem Holz, die in einen weiteren Raum zu führen schien. Sie stand offen. Rechts und links davon waren Flipcharts positioniert sowie zwei dunkel gekleidete Männer, die wie Wachposten aussahen. Sie unterhielten sich – momentan gab es für die beiden offensichtlich nichts zu kontrollieren.
»Da scheint es zu den Vorträgen zu gehen«, murmelte Matt
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