Zurück von den Toten - Dark Village ; 4
nicht der kripotypische âIch hab schon alles Grausame dieser Welt gesehenâ-Blick. Manchmal erschreckte sie das richtig. Vor allem beim Ermittlungsleiter. Sie hatte Schwierigkeiten mit seiner intensiven Art und seiner kalten Verbitterung. Es war total anstrengend, in seiner Nähe zu sein.
Das Freizeichen erklang. Es klingelte einmal, zweimal, dreimal. Er war ganz sicher wach. Das sollte er zumindest. Er hatte Nachtdienst und einen Haufen Arbeit vor sich gehabt, als sie am Vortag das Büro verlassen hatte.
Endlich ging er ans Telefon. Er räusperte sich in den Hörer.
âHalloâ, sagte sie. âWie gehtâs?â
Sie hörte, wie er sich streckte und ein Gähnen unterdrückte.
âHast du was rausgefunden?â
âOh ja. Dreimal darfst du raten!â
Und?â
âIch weià alles.â
âAlles?â
âMmm.â
âWas denn alles?â
âAlles, bis ins kleinste Detail.â
âWas wird das hier? Ein Ratequiz?â Lena Kristine Sigvardsen Moe lachte. âWas hast du rausgefunden?â
âGenugâ, sagte Kruse.
âGenug wofür? Um ihn dranzukriegen?â
âNein, erst mal noch nicht. Hauptsächlich Hintergrundmaterial. Aber das reicht dicke, um sicher zu sein, dass er es war. Ja. So sieht es aus. Er hat es getan. Alles. Da wette ich meine Boxershorts drauf.â
Lena Kristine Sigvardsen Moe lachte wieder. âDie will ich nicht!â
âOkay. Dann fress ich sie, wenn er es NICHT war.â
âUnd wer muss sie fressen, wenn er es doch war?â
âDer Chef!â
Beide brachen in lautes Gelächter aus.
âÃbrigens, Kruseâ, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe. âNora ist heute Abend und heute Nacht allein zu Hause. Sie hat ein paar Freunde aus ihrer Klasse eingeladen. Kannst du eine Zivilstreife vorbeischicken, die ab und zu nach dem Rechten sieht? Nur so zur Kontrolle?â
âJa, logisch.â
âAber nicht klingeln!â
âNein, nein.â
âNur gucken, ob alles okay ist.â
âJa, ist klar.â
âGut. Danke.â
âUnd wenn nicht alles okay ist?â
âWas? Wenn nicht alles okay ist?â
âJa.â
âWas meinst du mit ânicht okayâ?â
âNa jaâ, sagte Kruse. âSollen wir reingehen, wenn es irgendwie Ãrger gibt?â
âWas denn für Ãrger?â
âLaute Musik, Leute, die in die Hecke kotzen. Was weià ich. Ãrger eben.â
âIn die Hecke?â, fragte Lena Kristine Sigvardsen Moe ernsthaft schockiert. Sie überlegte. âIn die Hecke â¦â, murmelte sie. âAlso â¦â
Kruse half ihr auf die Sprünge. âLena. Ich fahre selbst mal hin. Und ich gehe nur rein, wenn es wirklich Probleme gibt. Gönnen wir dem Mädchen doch einfach ein bisschen Privatsphäre, oder?â
âJa, na gutâ, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe.
âDas hat sie sich verdientâ, sagte Kruse.
âMm.â
âOkay, abgemacht.â Kruse grinste im Stillen. Mütter! âAlso, entspann dich. Es wird schon nichts passieren. Wir haben alles unter Kontrolle. Wir haben ihn. Wenn die technische Analyse ergibt, dass die Beweise wasserdicht sind, gibt es keinen Zweifel mehr. Dann kriegen wir ihn für die ganze Geschichte dran. Game over.â
4
Ein weiterer Morgen. Wieder einmal nackt vor dem Spiegel. Wieder einmal konnte sie es sich nicht verkneifen, sich anzustarren, zu analysieren und zu grübeln. Immer dieselbe Prozedur, dieselbe Ãberlegung: Nora war nicht dick. Das sagte sie sich jedes Mal selbst. Aber schlank war sie auch nicht. Sie war durchschnittlich. Durchschnittlich groÃ. Sie hatte ein durchschnittliches Gewicht. Sie war in allem irgendwie durchschnittlich. Nichts Besonderes, so wie die groÃe, schlanke Vilde und die blonde, perfekte Benedicte. Nur braun und grau und ⦠ja, ein bisschen abgenutzt irgendwie. Sie hatte mehr Haare als alle anderen â und zwar überall. Das war das Einzige. Manchmal rasierte sie sich, aber sie traute sich nicht, zu viele Haare wegzumachen. Jedenfalls nicht untenrum, sonst würde es am Ende noch eine von den anderen bemerken, wenn sie nach dem Sport duschten. Sie konnte ja auch nicht plötzlich mit Bikinihose duschen â obwohl manche das sogar taten. Ihr aber wäre es vorgekommen wie das Eingeständnis, dass sie etwas zu verbergen hatte. Als ob etwas Ekliges passiert
Weitere Kostenlose Bücher