Zurück von den Toten - Dark Village ; 4
sie rein gar nichts mehr sehen kann.
Es dauert einen Moment, bis sie es begreift. Wasser.
Das ist Wasser. Ich bin unter Wasser. Ich werde sterben.
Der Gedanke ist erschreckend logisch: Jetzt ist es vorbei. Mein Leben ist zu Ende. Aber so einfach überlässt sie sich ihm nicht. Die alte Katie hätte vielleicht aufgegeben, aber nicht die neue. Die neue Katie ist da, weil sie leben will.
Sie rudert mit Armen und Beinen. Es geht von Anfang an unglaublich schwer. Es gibt keine trockene Stelle mehr an ihrem Körper â nein, sie ist triefnass und auf einen Schlag mindestens zehn Kilo schwerer.
Sie strampelt so heftig, dass ihre Muskeln verkrampfen. Sie reckt den Hals und streckt sich nach oben, als ob die Oberfläche, der Sauerstoff nur ein paar Zentimeter entfernt wären. Vielleicht kann sie es schaffen, wenn sie nur alles, was noch an Kraft und Bewegung in ihrem Körper ist, darauf verwendet, hochzukommen. Nach oben, nach oben!
In Panik kommt ihr der Gedanke, dass sie vielleicht in die falsche Richtung schwimmt. Woher weià sie denn eigentlich, wo oben ist? Um sie herum ist alles pechschwarz! Schwimmt sie womöglich nach unten oder zur Seite? Vielleicht ist sie direkt unter der Oberfläche, schwimmt seitwärts den Fluss entlang und ertränkt sich selbst?
Aber nein. Da muss es nach oben gehen. Denn alles andere zieht sie in die entgegengesetzte Richtung. Wenn sie aufhört zu schwimmen, wird sie untergehen wie ein Stein. Also muss in diese Richtung unten sein, der Grund, wo der Tod auf sie wartet. Der Tod und die Fische und die Würmer.
Oder ist es nur die Strömung? ReiÃt die Strömung sie mit sich? Zerrt sie noch heftiger an ihr als die Tiefe? Dann macht sie es verkehrt, dann muss sie â¦
Ja! Sie hat das Gefühl, etwas zu sehen.
In ihr zieht sich alles zusammen. Bauch, Brust und Lungen schreien nach Sauerstoff.
Aber da ist doch was! Sie hat etwas gesehen, irgendwas kommt auf sie zu, und das ist stärker als die Dunkelheit. Es ist ein unbestimmter hellblauer Nebel, der ihr entgegenflimmert. Der durch das Wasser fällt und sie durch die Kälte und die Angst erreicht.
Und dann! Ihre Hand bekommt etwas zu fassen, das leichter als Wasser ist, das keinen Widerstand leistet.
Sie bekommt eine gigantische, eiskalte Ohrfeige, die wie die Hölle im Gesicht brennt. Aber niemand hat sie geschlagen. Nein, das war einfach nur die Luft, die ihr entgegenschlug â Luft. Wunderbare Luft!
Sie ringt japsend nach Atem und merkt, wie sich die Lungen füllen. Erst ein Mal, dann ein zweites Mal. Dann geht sie wieder unter und muss sich erneut nach oben kämpfen. Sie spuckt und hustet und hört sich âScheiÃe, ScheiÃeâ sagen.
Aber um Hilfe ruft sie nicht. Sie denkt nicht mal dran. Es kommt einfach nicht infrage, denn sie ist plötzlich so wütend und selbstsicher.
Jetzt kann sie das Ufer sehen, beide Ufer. Das eine ist nur fünf oder sechs Meter entfernt. Sie hält darauf zu. Erst versucht sie, so zu schwimmen wie im Schwimmbad oder am Strand. Aber das klappt nicht. Ihre Kleider sind zu schwer und zu nass. Sie wird immer wieder nach unten gezogen. Um voranzukommen, muss sie strampeln und paddeln wie ein Hund. Sie bewegt sich unglaublich langsam. Trotzdem schafft sie es, Stück für Stück, näher ans Ufer heran. Endlich spürt sie einmal kurz etwas unter sich, dann wieder, und plötzlich kann sie runde, glitschige Steine unter ihren zitternden FüÃen fühlen.
Sie watet aufs Ufer zu. Langsam lässt die Strömung sie los. Als das Wasser sie nicht mehr vollkommen umgibt, strauchelt sie. Auf dem Weg an Land fällt sie immer wieder hin.
Später stellt sie fest, dass sie am ganzen Körper blaue Flecken hat. GroÃe dunkle Blutergüsse. Die schlimmsten sind an der Rückseite der Oberschenkel und am Hintern. Von den Kniekehlen bis zum Kreuz ist alles blau und wund. Aber gebrochen ist nichts. Keine kaputten Knochen. Ihr Körper schmerzt, aber er funktioniert.
Sie erreicht das Ufer und dreht sich um. Der Fluss hat sie ein ganzes Stück mitgenommen. In einiger Entfernung sieht sie das Stauwerk. Sieht, wie das Wasser unten an der Staumauer brodelt. Sie friert und fängt plötzlich an zu zittern.
Dann fällt ihr alles wieder ein. Nicholas, denkt sie. Er hat mich gerettet. In einem ersten Impuls will sie am Ufer zurücklaufen, nach Hause zu Nicholas, um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung ist. Er darf nur
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