Zurück von den Toten - Dark Village ; 4
hatten. Da hätte jeder eifersüchtig werden können. Wir haben keinen stichhaltigen Grund, speziell Nicholas zu verdächtigen.â
Bis auf das Plätschern aus den beiden Schwimmbecken war es mit einem Mal still. Die Taucher trieben im Wasser wie gestrandete Wale.
Der Ermittlungsleiter fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. âDas ist doch zu blöd. Holt sie raus. Auf die Weise finden sie sowieso nichts.â
Lena Kristine Sigvardsen Moe gab einem der Kripobeamten, die auf der anderen Seite des Beckens knieten und die Suche verfolgten, ein Zeichen. Der Kripobeamte signalisierte mit einem Kopfnicken, dass er verstanden hatte.
âIch will, dass der Junge sich die Bilder auf der DVD vorher genau anschautâ, sagte der Ermittlungsleiter. âVielleicht erkennt er jemanden wieder.â
âVorher? Vor was?â
âBevor wir ihn laufen lassen.â
âWir lassen Nicholas also frei?â
âSie sind doch hier die Juristin.â
âWir haben nichts gegen ihn in der Handâ, erwiderte Lena Kristine Sigvardsen Moe. âNie was gehabt.â
Der Ermittlungsleiter zuckte die Schultern. âDann versteht sich das doch von selbst.â
Sein Gesicht verfinsterte sich, verbittert und hart. âDer Mörder spielt ein Spiel mit uns und wir sind gerade zurück auf Los gegangen.â
6
Benedicte machte sich direkt auf den Weg nach Hause. Sie wollte auf ihr Zimmer, um das blutige Hemd ihres Vaters rauszusuchen. Jetzt ging es darum, eine Entscheidung zu treffen. Sie musste das Hemd in den Händen halten, es noch einmal sehen, bevor sie sich entscheiden konnte. Die Haustür war offen und im Flur standen zwei Koffer. Die Koffer ihrer Mutter.
âHallo?â, rief Benedicte vorsichtig. Sie blieb auf der Treppe vor der offenen Tür stehen, als wäre es gefährlich, das Haus zu betreten.
Niemand antwortete. Benedicte spürte die tief stehende Herbstsonne im Rücken. Es war angenehm. Ein wohliges Gefühl durchzog sie, eine träge Wärme, die durch ihren Körper floss. Sie wollte einfach nur stehen bleiben, nichts machen, diesen Moment nicht zerstören. Aber es war doch schön, dass ihre Mutter nach Hause gekommen war, oder nicht?
Sie ging einen Schritt vorwärts, über die Türschwelle in den Flur. Die Tür lieà sie hinter sich offen. Ein Fluchtweg.
âMama? Hallo?â
âBenedicte?â
Die Stimme kam aus dem Obergeschoss. Benedicte ging zur Treppe und schaute hinauf. Hatte ihre Mutter geschlafen?
âMama?â
Ihre Mutter erschien oben an der Treppe. Eilig kam sie die Stufen herunter. Benedicte hatte lange nicht mehr gesehen, dass sie sich so schnell bewegte. Das Gesicht ihrer Mutter war blass und hager, aber ihre Augen waren lebhaft und wach. Nicht so glasig und blind wie sonst so oft.
âBenedicte.â
Ihre Mutter umarmte sie. Ihre Wange war kühl, aber die Arme waren stark.
âHiâ, sagte Benedicte mit gesenktem Kopf. âBist du ⦠zu Hause?â
âKannst du mir vergeben?â, erwiderte ihre Mutter.
âWieso?â
âIch war nicht im Wellness-Hotelâ, sagte ihre Mutter.
âAber Papa hat gesagt â¦â
âJa. Papa hat gedacht, ich wäre da.
Ich
habe ihn angelogen. Oder â¦â Ihr Mutter lächelte flüchtig. âWas heiÃt angelogen. Ich war im Nachbargebäude. Eine so groÃe Lüge war es also nicht.â
âDu brauchst nicht zu erzählen â¦â
âDoch.â Ihre Mutter hob einen Arm. âWir müssen miteinander sprechen, Benedicte. Wir tun das. Wir fangen jetzt damit an. Wir müssen uns erzählen, was Sache ist, du und ich.â
âAha?â, machte Benedicte. âWir beide?â
âJa.â
âAber wie denn? Und Papa?â
âIch habe mit dem Entzug angefangenâ, sagte ihre Mutter.
âOh.â
âJa.â
Ihre Mutter hielt die Hände vor dem Bauch gefaltet wie eine Art Schild. Benedicte sagte nichts.
âIch bin natürlich noch nicht damit fertigâ, fuhr ihre Mutter fort. âIn ein paar Wochen muss ich wieder hin, für länger, Beratung und Therapie und so was. Aber der Start ist gut gelaufen, bis jetzt. Ich nehme nichts mehr, gar nichts.â
âAh.â
âJa.â
âDu bist also ⦠normal?â, fragte Benedicte.
âJa.â Ihre Mutter lächelte flüchtig. âIch bin clean, wie sie sagen. Ich habe nichts
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