Zurück von den Toten - Dark Village ; 4
mehr im Körper.â
âAber wie geht es denn jetzt weiter?â, fragte Benedicte.
âWie es weitergeht? Wie meinst du das?â
âIch weià nicht. Mit uns, hier zu Hause. Mit dir und Papa.â
âMit uns beiden, Benedicte, mit dir und mir, geht es sehr gut weiter. Das verspreche ich dir. Mit Papa und mir ⦠Das lässt sich nicht so einfach sagen. Wir werden sehen. Vielleicht gefällt es deinem Vater nicht, dass ich ânormalâ bin.â Sie malte GänsefüÃchen in die Luft. âVielleicht möchte er lieber, dass ich seine Pillen schlucke.â Ihre Mutter verschränkte erneut die Hände vor dem Bauch.
Benedicte sah sie an, sah in ihr Gesicht, suchte nach einem Anzeichen von Reue, von: âOh Gott, was habe ich da gerade gesagt? Das hab ich doch gar nicht so gemeint!â
Aber sie fand nichts.
Ihre Mutter ging in die Küche. Ãber die Schulter sagte sie: âIch habe gerade Teewasser aufgesetzt. Möchtest du auch eine Tasse?â
Benedicte bemerkte, dass sie völlig angespannt dagestanden hatte â Arme, Schultern, Bauch. Jetzt war es, als ob ihr Körper wie im Fieber zitterte. âTee?â, flüsterte sie. âJa, warum nicht.â
Sie folgte ihrer Mutter in die Küche. Benedicte begriff, dass die Frage, ob sie auch einen Tee wolle, viel mehr beinhaltete: Möchtest du ein paar Minuten mit mir zusammensitzen? Können wir ein bisschen Zeit miteinander verbringen, du und ich? Kannst du mir all die alten Sachen verzeihen?
Das Radio lief leise, es spielte ein Lied, das Benedicte schon oft gehört hatte. Aber sie wusste nicht genau, von wem es war. Ihre Mutter stellte den Ton lauter und sang vor sich hin â I wish I could say all the things that I should say â, während sie Teewasser aus dem Kessel in eine Kanne goss. Sie nahm groÃe Tassen und Zucker aus dem Schrank, holte eine Zitrone aus dem Kühlschrank und schnitt die Hälfte davon in Scheiben. Sie arbeitete langsam. Ihre Hände zitterten ein bisschen und ihre Körperhaltung wirkte angestrengt.
Wie bei mir, dachte Benedicte. Genau wie bei mir.
Ihre Worte hingen noch in der Luft. Wie eine Kriegserklärung, die sich nicht wieder zurücknehmen lieÃ. Dazu waren sie zu stark und zu wahr: âVielleicht möchte er lieber, dass ich seine Pillen schlucke.â
Benedicte wünschte, sie wäre drauÃen auf der Treppe stehen geblieben, mit der warmen Herbstsonne im Rücken, und der Moment hätte sich immer weiter ausgedehnt, bis in alle Ewigkeit. Denn jetzt musste sie sich entscheiden: Sollte sie ihrer Mutter von dem blutigen Hemd erzählen?
7
Zuerst sagten sie nichts.
Sie holten ihn aus der Zelle und brachten ihn ins Verhörzimmer. Sein Anwalt kam herein und lächelte breit. Er gab Nick die Hand und sagte: âGratuliere.â
Der Ermittlungsleiter nahm auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz. Heute war er allein. Er legte einen dünnen Stapel Blätter auf den Tisch und sagte: âWenn du dir die hier angesehen hast, kannst du gehen.â
âWas?â Nick drehte sich auf dem Stuhl um und sah den Anwalt an.
âHaben sie dir nichts gesagt?â, fragte der Anwalt. âDu bist frei, keine Anklage, keine weiteren Verhöre. Du kannst nach Hause.â
âAber erst musst du hier noch einen Blick drauf werfen.â Der Ermittlungsleiter breitete die Blätter auf dem Tisch aus. Es waren Ausdrucke von Fotos. âDie sind von deiner DVDâ, sagte er. âAuf die du den Inhalt von Viksveens Festplatte gebrannt hast. Das sind Leute, die wir bisher nicht identifizieren konnten.â
âNeinâ, sagte Nick. âMuss ich? Ich finde nicht, dass â¦â
âDu kommst hier erst raus, wenn du dir diese Bilder genau angesehen hast. Wenn du dich weigerst, wanderst du direkt wieder zurück in die Zelle. Wegen Zurückhaltung wichtiger Informationen in einer Mordsache.â
âAber das war ein Unfall, das mit der Viksveen.â Nick blickte vom Ermittlungsleiter zum Anwalt und zurück. âDas wissen Sie doch. Sie haben es selbst gesagt. Das war kein Mord!â
âDas hängt alles zusammenâ, sagte der Ermittlungsleiter. âViksveen und Wolff hatten ein Verhältnis. Wolff stand auÃerdem auf junge Mädchen. Und es kann noch viele Verbindungen geben, von denen wir bis jetzt nichts wissen. Sieh dir die Fotos an und sag uns, wen du
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