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Zusammen Allein

Titel: Zusammen Allein Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich beschloss, sie zu kürzen.
    Ein neues Leben hatte begonnen.
    Mehrmals hörte ich den Hund winseln, und obwohl ich wusste, dass meine Großmutter auf mich wartete, machte ich mich auf die Suche. Durch ein Labyrinth aus Sträuchern und herabhängenden Ästen durchschritt ich unbekanntes Terrain. Da ich den Weg nur schemenhaft sehen konnte, ließ ich mich von meinem Gehör und der Nase leiten. Der Hund war sehr jung und seine Freude, mich zu sehen, überwältigend. Liebe muss man ernten, wenn sie reif ist. Ich öffnete den Zwinger und ließ ihn heraus. Kaum war er draußen, kaum war er an mir hochgesprungen, kaum hatten wir uns ineinander verliebt, wusste ich, dass ich bleiben wollte. Hier in diesem verwunschenen Garten, an der Seite der merkwürdigen Alten.
    Als ich aber mit dem Hund zurückkam, nach seinemNamen fragte und ob er bei mir schlafen dürfe, lief Puschas Gesicht puterrot an. Ich solle das Vieh draußen lassen und die Tür schließen. Sie schüttelte den Kopf.
    »Wer um Gottes Willen hat den Zwinger wieder offen stehen lassen?«
    »Niemand, ich meine, ich habe ihn rausgelassen. Er fühlte sich einsam.«
    »Lass ihn sich einsam fühlen, mich fragt auch niemand nach meinem Befinden. Und ich kann Tiere im Haus nun mal nicht leiden.«
     
     
    In Puschas Schlafzimmer roch es nach Mottenkugeln, Staub und nach etwas, was ich nicht kannte. Alle Gegenstände waren abgedeckt, wie in einem Haus, dessen Bewohner sich zu einer langen Reise aufgemacht hatten. Über dem Bett, der Kommode und den beiden Fernsehern lagen die allerbuntesten Überwürfe. Selbst die Fernbedienungen steckten in kleinen Etuis aus gelbem Wollstoff.
    »Wozu zwei?«, wollte ich wissen und zeigte auf die Fernsehgeräte.
    »No, kann nicht jederzeit einer kaputtgehen?«
    »Schaust du viel fern?«
    »So gut wie nie«, gab sie zu. »Es werden ja immer weniger Spielfilme gezeigt, stattdessen Propaganda.«
    »Wie bist du überhaupt an zwei gekommen, es gibt Wartelisten.«
    Meine Großmutter schwieg, kramte unter ihrem Bett, holte Bettwäsche hervor und hielt sie mir unter die Nase.
    Später sollte ich erfahren: Puscha besaß die erste Nähmaschinein der Straße, die erste Waschmaschine, den ersten Farbfernseher. Die Nachbarn standen Schlange, damit sie sich die neuen Geräte anschauen konnten. Alles, was einen gewissen Wert darstellte, stammte aus der Zeit, als ihr Ehemann im Iran gearbeitet hatte und mit Gutscheinen bezahlt worden war. Die Gutscheine flatterten wie Liebesbriefe ins Haus, und Puscha konnte damit in bestimmten Geschäften, die Normalsterblichen verschlossen blieben, einkaufen. Gab es nur Fernseher im Laden, nahm sie eben einen Fernseher mit, selbst wenn sie bereits ein Gerät zu Hause hatte. Bei Bedarf konnte man eins verkaufen. Sie teilte das Schicksal mit einer sehr kleinen sozialistischen Oberschicht, deren Mitglieder sich ohne eigenes Verschulden zu Händlern entwickelten.
    Das Gästebett wurde zwischen Schrank und Ehebett aufgestellt, viel Platz zum Tanzen blieb nicht mehr. Erschöpft kroch ich unter die frischen Laken und schlief sofort ein, als hätte man mein Stromkabel gekappt.
    Mitten in der Nacht weckte mich lautes Keuchen. Die Wände sind so dünn wie Papier, dachte ich, bis mir einfiel, wo ich mich befand.
    Zu dem Keuchen gesellte sich Puschas Stimme.
    »Joi, mach voran, du erdrückst mich.«
    Keine Antwort. Stattdessen heftigeres Keuchen. Meine Großmutter empfing späten Besuch. Ich verspürte einen heftigen Stich in der Herzgegend. Nach wenigen Keuchminuten hörte ich sie sagen:
    »Du musst jetzt gehen.«
    »Warum?«
    »Das Kind ist bei mir.«
    Mondlicht sickerte ins Schlafzimmer, und ich blinzelte hinüber zum Bett, konnte aber nichts erkennen. Grau tänzelte um Schwarz herum, ich schlief wieder ein.
     
    Am nächsten Morgen vergaß ich zu fragen, wer der nächtliche Besucher gewesen war. Den Zaubersatz:
Das Kind ist bei mir
vergaß ich nicht.
    Die Worte drangen bis zu meinem Herzen vor, legten sich über die offene Wunde. Pflasterworte, nannte ich sie später und verlieh ihnen zehn Punkte, Höchstpunktzahl.
    »Was ist das?«, wollte ich nach dem Aufstehen wissen. Ein Reindel befand sich neben meinen Schuhen, gefüllt war es mit einer durchsichtigen Flüssigkeit.
    »No, du hast den Topf vollgeweint, vergangene Nacht.«
    »Über so was lacht man nicht.«
    »Überstanden ist überstanden. Die Trauer ist heraus, jetzt müssen wir sie begraben. Komm, trandel nicht herum.«
    Puscha war fertig angezogen, hatte sich

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