Zusammen Allein
brauche.«
»Nur kein richtiges Zuhause.« Scharf schlug Puschas Zunge gegen ihre Zähne, es zischte. Von vier Zimmern, begann sie aufs Neue, könne sie nur noch eines bewohnen. »In den anderen Räumen hausen die Dobresans.« Mit einem lächelnden und einem zugekniffenen Auge erzählte sie, dass es so etwas wie Glück im Unglück gäbe. Das würde eventuell, sie zog das Wort wie Kaugummi aus ihrem Mund, auch für meine Anwesenheit gelten, ganz bestimmt aber für die Dobresans. »Du hast sie kennengelernt, nette Leute, anständige Leute, mit denen lässt sich auskommen. Die Frau aber ist krank und verpestet die Luft. Eiter läuft ihr aus dem Körper, es ist eine Plage. Aber wohin mit ihr, Misch und Petre hängen an ihr.«
So erfuhr ich, warum die Haustür nicht ins Schloss gefallen war.
»Kannst du sie nicht wegschicken, es ist doch dein Haus?«
»Stammst du vom Mond, Kind? Wenn die Behörde dir Mieter reinsetzt, dann ist das ein Urteil. Ich bekomme ja nicht einmal Geld von ihnen, sie zahlen es dem Staat, und der Staat wirft es zum Fenster hinaus.« Erschrocken hielt sie inne. »Du bist doch nicht etwa bei den Pionieren, oder? Du bist doch hoffentlich nicht eine, die ihre eigene Großmutter denunzieren würde, nur um ein paar armselige Vorteile einzuheimsen?« Misstrauisch beäugte sie mich. »Deine Kaderakte kannst du jetzt sowieso vergessen. Dort steht Akademikerkind drin, und zudem sind deine Eltern auch noch abgehauen, da ist alles vorbei. In Rumänien wirst du keinen Studienplatz mehr bekommen.«
Puscha räusperte sich, wie um mir Zeit zu geben, meine Gesinnung kundzutun.
Aber ich schwieg verbittert, denn was ich da zu hören bekam, schlug seltsame Kapriolen in meinem Innern. Was sollte ich glauben, was nicht. Die Pause wurde ihr zu lang.
»Schau«, führte sie ihren Gedankengang zu Ende, »dass du auf deine Eltern sauer bist, kann ich gut verstehen, aber dass du auf den Westen sauer bist, das geht mir nicht herein. Glaub mir, wenn ich jünger wäre, würde ich abhauen.«
»Du bist doch jung.«
Noch bevor sie zuschnappen konnte, wusste ich, dass ich den Köder gut platziert hatte. Wie ein hungriger Karpfen öffnete sie den Mund, schaute mir zum ersten Mal länger als zwei Sekunden in die Augen. Fuhr mir sogar mit der Hand über den Kopf. »Du machst dichüber mich lustig, pfui.« Ernst zog sie mich vom Stuhl hoch. »Wir stellen jetzt ein Klappbett auf, damit das hier endlich ein Ende hat. Und morgen hast du schulfrei, ich will mit der Eri telefonieren, und du sollst dabei sein.«
Das einzige funktionierende Waschbecken befand sich in der Küche.
Wir spülten das Geschirr darin, wir putzten uns die Zähne, und Puscha wusch sich die Füße. Ihre Fußnägel waren gekrümmt wie bei einem Maulwurf. Aber ihre Nylonstrümpfe waren tipptopp in Ordnung, nicht ein einziges Loch. Sie reichten bis zu den Oberschenkeln, dort wurden sie mit einem Gummiband festgehalten. Darüber war das Fleisch sehr weiß, sah weich aus, wie gekochte Hühnerbrust.
»In einem solchen Haus gibt es bestimmt ein Badezimmer«, forschte ich, »warum wäschst du dich hier?«
»No, weil wir ein Rohr brauchen, ein neues Abflussrohr. Und das gibt’s nicht einfach so. Der Installateur will Benzin. Benzin habe ich aber keins, also muss ich erst warten, bis meine Bäuerin mir die sechs versprochenen Hähnchen liefert. Dauern wird das, sie sind noch nicht schlachtreif. Das ist auch gut so, ich bin mit den Vorhängen noch nicht fertig.«
»Was willst du mit Vorhängen?«
»Joi, bist du schwerfällig«, staunte meine Großmutter. »Von der Werner Erika habe ich Stoff bekommen, sehr guten Stoff, wirklich. Aus dem Stoff nähe ich die Vorhänge für die Bäuerin, die füttert mir die Hähnchen schön fett, damit kann ich das Benzin kriegen, mit dem Benzin …«
»Schon klar«, unterbrach ich sie, »aber jetzt muss ich auf die Seite.«
Sie deutete ins Treppenhaus, wusch weiter ihre Füße.
»Und Klopapier?«
»Seit Wochen gibt es keins zu kaufen, aber am Kasten hängen Zeitungen, für etwas anderes kann man sie ja nicht gebrauchen.«
Im Flur brannte kein Licht, und ich stolperte mehrmals. Zu allem Überfluss klemmte das Schloss der Klotür, ich rüttelte und rüttelte.
Da fluchte eine brummige Stimme: »Ce dracu?«
Gab es noch irgendjemanden auf der Welt, der mich nicht zum Teufel wünschte? Rasch ging ich in den Hof und pinkelte neben die Rhabarberstaude. Der kühle Abendwind fuhr durch meine Haare. Sie waren lang geworden, und
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