Zusammen Allein
hast einen Rumänen geheiratet, obwohl du ihn nicht geliebt hast.«
»Von der Liebe, mein Kind, verstehst du weniger als nichts, halt dich also zurück. Und wenn wir schon dabei sind, lass Petre seinen Weg gehen.«
»Ich wollte ihm helfen, weiter nichts.« Meine Stimme klang kläglich.
»Joi, helfen, was willst du helfen?« Puscha stemmte die Hände in die Hüften. »Verschon mich mit deinen Gescheitheiten. Ich hoffe nur, du hast während dem Verhör deinen Mund gehalten.«
Als Petre vom Arbeitsdienst zurückkam, da kam er nicht, er ging. Er ging in sein Zimmer, an mir vorbei, als wäre ich ein Geist oder ein Kasten. Einen Kasten grüßt man nicht, wozu auch. Eine Woche lang spielte er dieses Spiel mit mir, dann stellte ich ihn zur Rede. Zwangihn, mich anzuschauen. Er nickte, nickte zu allem, was ich sagte und zusammenstotterte. Am Schluss aber gab er mir zu verstehen, dass er meine Entschuldigung nicht annehmen könne oder, doch ja, er könne, von ihm aus, aber das ändere nichts an der Tatsache, dass es zwischen uns aus wäre.
Aus
, dieser schreckliche Ausdruck, der nichts Erklärendes in sich birgt, lediglich die Handlung beschreibt. Einen Fernseher stellt man auf Aus, wenn man mit ihm oder dem Wunsch nach Unterhaltung abgeschlossen hat.
Was soll ich tun?
, schrieb ich ihm.
Wenige Tage später zog er aus. Zog zur Schwester seiner Mutter, die in Rosenau auf einem Bauernhof lebte. Als Unverheirateter hatte er keinen Anspruch auf eine eigene Wohnung.
Wir sahen uns selten und wenn, dann gruppierten sich stets zahlreiche Menschen wie eine Ziegelmauer um uns herum. Ich kam nicht mehr an ihn heran. An Mischs Geburtstag wirkte er noch verschlossener als sonst. Nur weil ihn Puscha drängte, erzählte er von sich. Er hätte jetzt immer einen oder mehrere Begleiter, berichtete er, daran müsse er sich wohl oder übel gewöhnen. Sein Lächeln hing ihm schief im Gesicht, es war ein geliehenes Lächeln. Ich saß ihm schräg gegenüber, zwischen uns eine wuchtige Torte, die Puscha mit gehamsterten Eiern gebacken hatte.
»Wenn ich zur Haltestelle gehe, läuft jemand mit mir, wenn ich Kaffee trinke, schlürft hinter mir ein Idiot extra laut.«
Ich hing an seinen Lippen, wagte nicht zu atmen. Sein Gesicht schmal, die Haare zerzaust, so gerne hätte ich sie glatt gestrichen. Mein Herz brannte.
»Joi, diese Arbeitswut ist eine Plage«, betonte Puscha, als wäre die Bespitzelung ein Problem von kollektivem Beschäftigungsmangel. Doch sie hakte nach: »Machst du dir Sorgen?«
Weil ich mich vor der Antwort fürchtete, stand ich auf, ging zur Tür, stellte mich in den Rahmen. Ein Torbogen, der mich vor Angriffen schützen sollte. Bestimmt verachtete er mich. Ich hatte sein Leben zerstört. Meine Knie wurden weich, als er berichtete:
»Sie geben sich keine Mühe, die Beobachtung geheim zu halten, das stört mich am meisten.«
Petre legte die Kuchengabel neben den Teller und trank ein halbes Glas Wasser. Kaffee gab es keinen, und die Torte staubte, Maismehl war ihr untergemischt worden. Ich starrte auf offen stehende Münder, alle hatten das Kauen unterbrochen. Die Spannung wuchs mit jedem Wort.
»Im Gegenteil, wenn ich zu schnell gehe, fängt mein Begleiter an zu schimpfen. Ihr könnt euch das nicht vorstellen. Ob ich blöd wäre oder was, ruft er mir dann hinterher, er sei nicht mehr der Jüngste. Ich solle gefälligst langsamer tun, allein schon aus Achtung vor seinem Alter.«
Nun lachten wir doch, erst Puscha, dann Misch, dann die anderen. Die anderen waren Mischs ältere Schwester Adela, ihr Sohn und ein Mann, von dem niemand zu wissen schien, in welchem Freundschafts- oder Verwandtschaftsverhältnis er zu uns stand. Er trank nicht viel und verhielt sich ruhig. Petre beschrieb den Geheimen im Sportdress.
»Chinesische Turnhosen, chinesische Sportschuhe, gesunde Gesichtsfarbe, vermutlich wegen der Außendiensttätigkeit.Er erinnert mich an meinen früheren Physiklehrer, den Herrn Bartels.« Gierig leerte Petre sein Glas. »Trotzdem bin ich nicht langsamer gelaufen, obwohl er mir sympathisch ist. Soll er in seinen Bericht doch hineinschreiben, was er will.«
Die Stimmung war wieder umgekippt. Nicht nur ich, auch Misch schaute hinüber zu dem uns unbekannten Mann an Adelas Seite. Es gab keine sympathischen Informanten. Sehr langsam senkte Petre den Kopf, legte ihn in beide Hände. Ein heftiges Ausatmen oder Schluchzen war zu hören.
»Auch bei Mira und einigen Studienkommilitonen waren sie.«
Mira, der Name
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