Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
dir. Das hier ist wie ein Fahrrad, man muß die richtige Einstellung finden, für lange Strecken …«
    Er kniete davor und betätigte alle Hebel:
    »Sind deine Füße richtig?«
    »Ja.«
    »Und die Arme?«
    »Etwas zu hoch …«
    »Okay, Camille, komm her. Da du das Ding schieben wirst, müssen wir die Griffe auf dich einstellen …«
     
    »Perfekt. Also, ich muß los … Kommt ihr noch ein Stück mit, dann können wir ihn gleich ausprobieren …«
    »Geht er in den Fahrstuhl?«
    »Nein. Man muß ihn zusammenklappen«, sagte er gereizt … »Aber um so besser, sie ist ja schließlich nicht vollinvalide, soweit ich weiß.«
     
    »Brumm, brrrrummm … Fangio, schnall dich an, ich bin spät dran.«
    Im Eiltempo durchquerten sie den Park. An der Ampel waren Paulettes Haare völlig zerzaust und die Wangen rosig.
    »Okay, Mädels, ich laß euch allein. Schickt mir eine Karte, wenn ihr in Katmandu angekommen seid …«
     
    Er war schon ein paar Meter gegangen, als er sich noch einmal umdrehte:
    »He! Camille? … Denkst du noch an heute abend?«
    »Was denn?«
    »Die Crêpes …«
    »Oh, Scheiße!«
    Sie schlug sich mit der Hand auf den Mund.
    »Das hab ich vergessen … Ich bin nicht da.«
    Er schrumpfte um ein paar Zentimeter.
    »Und es ist auch noch was Wichtiges … Das kann ich nicht absagen … Geschäftlich …«
    »Und sie?«
    »Ich habe Philou gefragt, ob er mich ablöst …«
    »Na gut … Pech gehabt, hm? Dann essen wir sie eben ohne dich …«
     
    Tapfer trug er seine Verzweiflung und entfernte sich gequälten Schrittes. Das Etikett seines neuen Slips kratzte.
     
     
     
    14
     
     
     
    Mathilde Daens-Kessler war die hübscheste Frau, der Camille je begegnet war. Sehr groß, viel größer als ihr Mann, sehr schmal, sehr fröhlich, sehr kultiviert. Sie wandelte auf unserem kleinen Planeten, ohne darüber nachzudenken, interessierte sich für alles, wunderte sich über die kleinsten Dinge, amüsierte sich, empörte sich halbherzig, legte bisweilen ihre Hand auf die ihres Gegenübers, sprach stets mit leiser Stimme, beherrschte vier oder fünf Sprachen und täuschte alle mit einem entwaffnenden Lächeln.
    So hübsch, daß ihr nie die Idee gekommen war, sie zu malen.
    Es war zu riskant. Sie war zu lebendig.
     
    Eine kleine Skizze, einmal. Im Profil. Die Partie unter dem Haarknoten, ihre Ohrringe. Pierre hatte sie ihr weggenommen, aber es war nicht sie gewesen. Es fehlten die tiefe Stimme, ihr Glanz und ihre Grübchen, wenn sie lächelte.
     
    Sie besaß das Wohlwollen, den Hochmut und die Ungezwungenheit derer, die zwischen edlen Laken zur Welt gekommen waren. Ihr Vater war ein großer Sammler, sie war immer von schönen Dingen umgeben gewesen, und es hatte ihr im Leben nie an etwas gefehlt, weder an Dingen, noch an Freunden oder Feinden.
    Sie war reich, Pierre unternehmungslustig.
    Sie schwieg, wenn er sprach, und machte seine Fehler wett, sobald er sich abwandte. Er tat junge Schützlinge auf. Er irrte sich nie, hatte beispielsweise Boulys und Barcarès bekanntgemacht, und sie bemühte sich darum, die Betreffenden zu halten.
    Sie konnte alle halten.
     
    Ihre erste Begegnung, wie sich Camille bestens erinnerte, hatte in der Hochschule der Schönen Künste stattgefunden, anläßlich einer
    Ausstellung der Abschlußarbeiten. Eine Art Aura ging ihnen voraus. Der furiose Händler und die Tochter von Witold Daens. Man hoffte auf ihr Kommen, fürchtete sie, harrte ihrer Reaktionen, und seien sie noch so unscheinbar. Sie hatte sich hundsmiserabel gefühlt, als sie von ihnen begrüßt wurden, sie und die ganze Truppe armer Schlucker. Sie hatte den Kopf gesenkt, als sie ihm die Hand reichte, war unbeholfen ein paar Komplimenten ausgewichen und hatte nach einem Mauseloch Ausschau gehalten, in das sie sich endlich verkriechen konnte.
    Es war im Juni gewesen, vor fast zehn Jahren. Die Schwalben hatten im Universitätshof ein Konzert gegeben, und sie tranken schlechten Punsch, während sie ehrfürchtig Kesslers Worten lauschten. Camille hörte nichts. Sie betrachtete seine Frau. An jenem Tag trug sie eine blaue Bluse und einen breiten silbernen Gürtel, an dem winzige Schellen klimperten, wenn sie sich bewegte.
    Es war Liebe auf den ersten Blick.
     
    Anschließend waren sie von ihnen in ein Restaurant der Rue Dauphine eingeladen worden, und am Ende eines feuchtfröhlichen Diners hatte ihr kleiner Freund Camille aufgefordert, ihre Zeichenmappe zu öffnen. Sie hatte sich geweigert.
    Ein paar Monate

Weitere Kostenlose Bücher