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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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ausgewählt. Bellini. Was gefällt dir an ihm?«
    »Sein Porträt des Dogen Leonardo Loredan.«
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Da muß man nach London, in die National Gallery, wenn ich mich recht erinnere, und sich das Gemälde anschauen, um sicher zu sein, daß man. Es ist. Es ist. Nein, ich hab keine Lust, mit meinen dicken Flossen darauf rumzuplanschen.«
    »Na gut«, ergaben sich die anderen, »ist schließlich nur ein Spiel. Wir wollen dich nicht zwingen.«
    »Ah! Ich weiß, was ich vergessen habe!« frohlockte Franck, »den Kamm natürlich! Der kommt in die weiße Soße.«
     
    Camille fühlte sich eindeutig zerlegt.
     
    An einem Montagabend jedoch, im Stau kurz hinter der Mautstelle von Saint-Arnoult, als sie allesamt müde und verdrießlich waren, erklärte sie plötzlich:
    »Ich hab’s!«
    »Pardon?«
    »Mein Wissen! Mein einziges Wissen! Und außerdem weiß ich schon seit Jahren darum!«
    »Schieß los, wir sind ganz Ohr.«
    »Hokusai, ein Maler, den ich phantastisch finde. Ihr wißt schon, die Woge? Und die Ansichten des Fuji? Na klaaar. Die türkise Woge
    mit Schaumkrone? Also er – das reinste Wunder –, wenn ihr wüßtet, was er alles gemacht hat, das ist unvorstellbar.«
     
    »Ist das alles? ›Das reinste Wunder!‹ Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
    »Doch, doch, ich sammle mich ja gerade.«
     
    Und im Halbdunkel dieser eintönigen Vorstadt, zwischen einem Industriezentrum links und einem Basar rechts, zwischen dem Grau der Stadt und der Aggressivität der Herde, die in den heimischen Verschlag zurückkehrte, sprach Camille langsam folgende Worte:
     
    »Seit meinem fünften Lebensjahr war ich besessen, die Form der Dinge zu skizzieren.
     
    Nach meinem 50. Lebensjahr machte ich eine Reihe von Grafiken, aber alles was ich vor meinem 70. Lebensjahr produzierte, ist der Rede nicht wert.
     
    Im Alter von 72 lernte ich schließlich etwas über die wahre Natur von Vögeln, Tieren, Insekten, Fischen und die Art der Gräser und Bäume.
     
    Deshalb werde ich im Alter von 82 wohl einige Fortschritte erzielt haben, mit 90 werde ich dann noch tiefer in die Bedeutung der Dinge eingestiegen sein, mit 100 werde ich echt gut sein und mit 110 wird jeder Punkt, jede Linie ihr eigenes Leben haben.
     
    Ich hoffe nur, daß einige Leute so alt werden, um den Wahrheitsgehalt meiner Worte zu erkennen.«
     
    Geschrieben im Alter von fünfundsiebzig Jahren von mir, Hokusai, dem von der Malerei besessenen Alten.
     
    »Jeder Punkt, jede Linie wird ihr eigenes Leben haben« , wiederholte sie.
     
    Alle hatten darin vermutlich etwas gefunden, womit sie ihr armes Gehirn füttern konnten, denn der Rest der Fahrt verlief schweigend.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    7
     
     
     
    Zu Ostern wurden sie ins Schloß eingeladen.
    Philibert war nervös.
    Er hatte Angst, ein wenig von seinem Ansehen einzubüßen.
     
    Er siezte seine Eltern, seine Eltern siezten ihn und einander.
    »Guten Tag, Vater.«
    »Ah, da sind Sie ja, mein Sohn. Isabelle, unterrichten Sie bitte Ihre Mutter. Marie-Laurence, wissen Sie, wo der Whisky ist? Ich kann ihn nicht finden.«
    »Beten Sie zum heiligen Antonius, mein Lieber!«
    Anfangs kam es ihnen komisch vor, später achteten sie nicht mehr darauf.
     
    Das Diner war beschwerlich. Marquis und Marquise stellten ihnen zahlreiche Fragen, warteten jedoch die Antwort nicht ab, um sich ihr Urteil zu bilden. Darüber hinaus waren es eher heikle Fragen wie:
    »Und was macht Ihr Vater?«
    »Er lebt nicht mehr.«
    »Oh, Pardon.«
    »Aber ich bitte Sie.«
    »Äh. Und Ihrer?«
    »Ich habe ihn nie kennengelernt.«
    »Sehr schön. Ne… Nehmen Sie noch etwas Gemüse?«
    »Nein, danke.«
    Anhaltende Stille.
     
    »Und Sie? Sie sind also Koch?«
    »Ja.«
    »Und Sie?«
    Camille sah zu Philibert.
    »Sie ist Künstlerin«, antwortete er an ihrer Stelle.
    »Künstlerin? Wie pittoresk! Und … und Sie leben davon?«
    »Ja. Das heißt … Ich … ich glaube schon.«
    »Wie pittoresk. Und Sie leben im selben Haus, nicht wahr?«
    »Ja. Weiter oben.«
    »Weiter oben, weiter oben.«
    Er durchsuchte im Geiste die Festplatte seines mondänen Telefonverzeichnisses.
    »… dann sind Sie also eine kleine Roulier de Mortemart!«
    Camille wurde von Panik ergriffen.
    »Äh. Ich heiße Fauque.«
    Sie führte alles an, was sie auf Lager hatte:
    »Camille Marie Elisabeth Fauque.«
    »Fauque? Wie pittoresk. Ich habe einmal einen Fauque gekannt. Ein rechtschaffener Mann. Charles, glaube ich. Ein Verwandter von

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