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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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möglich im Bett, zog sich unter der Decke an und wärmte die Knöpfe ihrer Jeans in den Händen vor, bevor sie sie überstreifte.
    Das Dichtungsband aus Schaumstoff schien nicht sehr effektiv zu sein, und sie hatte ihre Matratze verschoben, um nicht länger dem gräßlichen Luftzug ausgesetzt zu sein, der sich ihr durch die Stirn bohrte. Jetzt lag ihr Bett vor der Tür, und das Kommen und Gehen war ein ziemlicher Aufstand. Sie war ständig dabei, die Matratze hierhin und dorthin zu ziehen, um auch nur drei Schritte machen zu können. Was für ein Elend, dachte sie, was für ein Elend … Und dann war es passiert, sie war schwach geworden, pinkelte in ihr Waschbecken, wobei sie sich an der Wand abstützte, um es nicht herunterzureißen. Von ihrer Stehklodusche ganz zu schweigen.
     
    Folglich war sie schmutzig. Das heißt, vielleicht nicht wirklich schmutzig, aber weniger sauber als sonst. Ein-, zweimal die Woche, wenn sie sich sicher war, sie nicht zu Hause anzutreffen, ging sie zu den Kesslers. Sie kannte die Zeiten der Putzfrau, und diese hielt ihr seufzend ein großes Frotteehandtuch hin. Sie konnte niemandem etwas vormachen. Sie zog immer mit einem Carepaket oder einer zusätzlichen Decke wieder ab. Einmal allerdings, als sie sich die Haare trocknete, war es Mathilde gelungen, sie sich vorzuknöpfen:
    »Willst du nicht wieder für einige Zeit hier wohnen? Du könntest dein altes Zimmer wiederhaben?«
    »Nein, vielen Dank, vielen Dank euch beiden, aber es ist in Ordnung. Es geht mir gut.«
    »Arbeitest du?«
    Camille schloß die Augen.
    »Ja, ja.«
    »Wie weit bist du mit der Arbeit? Brauchst du Geld? Gib uns was, Pierre könnte dir einen Vorschuß geben, weißt du?«
    »Nein. Ich habe im Moment nichts fertig.«
    »Und die ganzen Bilder bei deiner Mutter?«
    »Ich weiß nicht. Man müßte sie mal durchsehen. Ich habe keine Lust.«
    »Und deine Selbstporträts?«
    »Die sind unverkäuflich.«
    »Woran sitzt du denn zur Zeit?«
    »Nichts Großes.«
    »Warst du mal wieder am Quai Voltaire?«
    »Noch nicht.«
    »Camille?«
    »Ja.«
    »Willst du nicht mal diesen verfluchten Fön ausstellen? Damit man sich besser unterhalten kann?«
    »Ich habe es eilig.«
    »Was machst du denn genau?«
    »Pardon?«
    »Was für ein Leben führst du zur Zeit? Wie sieht es genau aus?«
     
    Um nie wieder auf solche Fragen antworten zu müssen, stürzte Camille, vier Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter und stieß die Tür zum erstbesten Friseur auf.
     
     
     
     
     
     
    14
     
     
     
    »Einmal kahlrasieren«, sagte sie zu dem jungen Mann, der über ihr im Spiegel aufragte.
    »Wie bitte?«
    »Ich möchte, daß Sie mich kahlscheren.«
    »Eine Glatze?«
    »Ja.«
    »Nein. Das kann ich nicht machen.«
    »Doch, doch, das können Sie. Nehmen Sie Ihre Schneidemaschine, und legen Sie los.«
    »Nein, wir sind hier nicht bei der Armee. Ich will Ihnen die Haare gern kurz schneiden, aber keine Glatze. Das ist nicht der Stil des Hauses … Nicht, Carlo?«
    Carlo stand hinter der Kasse und las eine Zeitschrift über Pferderennen.
    »Worum geht’s?«
    »Die junge Frau hier möchte, daß wir ihr einen Kahlschnitt verpassen.«
    Der andere wedelte mit der Hand, was so viel bedeutete wie, was kümmert’s mich, ich habe gerade zehn Euro verzockt, also geht mir nicht auf die Nerven.
    »Fünf Millimeter.«
    »Pardon?«
    »Ich schneide sie Ihnen auf fünf Millimeter, sonst trauen Sie sich nicht mal mehr hier raus.«
    »Ich habe meine Mütze.«
    »Ich habe meine Prinzipien.«
     
    Camille lächelte ihm zu, nickte zum Zeichen der Zustimmung und spürte das Summen des Rasierers im Nacken. Ganze Haarsträhnen verteilten sich über den Boden, während sie die seltsame Person anstarrte, die ihr gegenübersaß. Sie erkannte sie nicht wieder, erinnerte sich kaum mehr an ihr Aussehen vor wenigen Sekunden. Es war ihr egal. Von jetzt an wäre es nicht mehr so ein Krampf, auf dem Treppenabsatz zu duschen, und nur das zählte.
     
    Im stillen befragte sie ihr Spiegelbild: Na? War es das? Das Programm? Sich durchschlagen, auch auf die Gefahr hin, sich zu verunstalten, auf die Gefahr hin, sich aus den Augen zu verlieren, um niemals jemandem etwas schuldig zu sein?
    Nein, ernsthaft? War es das?
    Sie fuhr sich mit der Hand über den stoppeligen Schädel und hätte am liebsten geheult.
     
    »Gefällt es Ihnen?«
    »Nein.«
    »Ich habe sie gewarnt.«
    »Ich weiß.«
    »Das wächst wieder.«
    »Glauben Sie?«
    »Da bin ich mir ganz sicher.«
    »Noch eins von

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