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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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einschlafen. Wenn ich sie anrufe und sie nicht ans Telefon geht, werde ich verrückt, und am Ende gehe ich dann doch vorbei, um nachzusehen, wo sie herumirrt. Der Unfall neulich ist ihr nicht gut bekommen, sie ist nicht mehr dieselbe wie vorher. Sie läuft den ganzen Tag im Morgenmantel herum, ißt nichts mehr, redet nicht mehr, liest ihre Post nicht. Erst gestern habe ich sie im Unterrock im Garten gefunden. Sie war völlig durchgefroren, die Ärmste. Nein, so kann ich nicht leben, ständig stelle ich mir das Schlimmste vor. So kann man sie nicht lassen. Das geht nicht. Du mußt etwas tun …«
    »…«
    »Franck? Hallo? Franck, bist du noch dran?«
    »Ja.«
    »Man muß sich damit abfinden, mein Junge.«
    »Nein. Von mir aus steck ich sie ins Hospiz, wenn ich keine andere Wahl habe, aber verlangen Sie nicht von mir, daß ich mich damit abfinde, das kann ich nicht.«
    »Verwahrungsanstalt, Hospiz … Warum sagst du nicht einfach ›Altenheim‹?«
    »Weil ich genau weiß, wie das endet.«
    »Sag das nicht, es gibt sehr gute Häuser. Die Mutter meines Mannes zum Beispiel hat …«
    »Und Sie, Yvonne? Könnten Sie sich nicht um sie kümmern? Ich bezahle Sie dafür. Ich gebe Ihnen alles, was Sie wollen.«
    »Nein, das ist sehr freundlich, aber nein, ich bin zu alt. Das kann ich mir nicht aufhalsen, ich habe schon meinen Gilbert, um den ich mich kümmern muß … Und außerdem braucht sie ärztliche Betreuung …«
    »Ich dachte, sie ist Ihre Freundin?«
    »Das ist sie auch.«
    »Sie ist Ihre Freundin, aber es macht Ihnen nichts aus, sie ins Grab zu stoßen …«
    »Franck, du nimmst sofort zurück, was du da gerade gesagt hast!«
    »Sie sind doch alle gleich … Sie, meine Mutter, die anderen, alle! Sie behaupten, Sie würden die Leute lieben, aber sobald es darum geht, die Ärmel hochzukrempeln, ist keiner mehr da.«
    »Ich bitte dich, steck mich nicht in eine Schublade mit deiner Mutter! Also wirklich! Was bist du undankbar, Franck … Undankbar und gemein!«
    Sie legte auf.
     
    Es war erst drei Uhr nachmittags, aber er wußte, er würde nicht mehr schlafen können.
    Er war erschöpft.
    Er schlug auf den Tisch, er schlug gegen die Wand, er schlug nach allem, was in seiner Nähe war.
    Er zog sein Sportzeug an, um eine Runde zu joggen, und sank auf die erstbeste Bank.
     
    Zuerst war es nur ein kleines Stöhnen, als hätte ihn jemand gezwickt, dann versagte ihm der ganze Körper. Er fing an, vom Kopf bis zu den Füßen zu zittern, seine Brust riß entzwei und entließ einen gewaltigen Schluchzer. Er wollte es nicht, er wollte es nicht, verflucht. Aber er hatte sich nicht mehr im Griff. Er heulte wie ein Riesenbaby, wie ein armer Irrer, wie einer, der sich anschickte, den einzigen Menschen auf der Welt umzubringen, der ihn jemals geliebt hatte. Den er jemals geliebt hatte.
     
    Er krümmte sich, rotzverschmiert und vom Kummer erdrückt.
    Als er sich endlich eingestand, daß er nicht dagegen ankam, wickelte er sich den Pullover um den Kopf und verschränkte die Arme.
     
    Er hatte Schmerzen, ihm war kalt, er schämte sich.
     
    Er blieb unter der Dusche, die Augen geschlossen, hielt das Gesicht in den Wasserstrahl, bis kein heißes Wasser mehr da war. Er schnitt sich beim Rasieren, weil er nicht den Mut hatte, in den Spiegel zu schauen. Er wollte nicht daran denken. Nicht jetzt. Nicht mehr. Die Dämme waren brüchig, und wenn er sich gehenließ, würden ihm tausend Bilder durch den Kopf schießen. Seine Omi, er hatte sie noch nie woanders gesehen als in diesem Haus. Am Morgen im Garten, die restliche Zeit in der Küche und am Abend an seinem Bett …
     
    Als er klein war, litt er an Schlaflosigkeit, hatte Alpträume, schrie, rief nach ihr und erklärte, seine Beine würden in einem Loch verschwinden, sobald sie die Tür zumachte, und er müsse sich an die Gitterstäbe klammern, um nicht mit ihnen zusammen zu verschwinden. Die Lehrerinnen hatten ihr nahegelegt, einen Psychologen aufzusuchen, die Nachbarinnen schüttelten bedenklich den Kopf und rieten ihr, ihn eher zu einem Wunderheiler zu bringen, damit dieser ihm die Nerven wieder richte. Ihr Mann wiederum wollte sie davon abhalten, zu ihm nach oben zu gehen. Du verwöhnst ihn zu sehr! sagte er, du verziehst ihn, den Jungen! Meine Güte, du brauchst ihn doch nur weniger zu lieben! Laß ihn ruhig ein bißchen flennen, erstens pißt er dann weniger, und du wirst sehen, er schläft trotzdem wieder ein …
    Sie sagte zu allen freundlich ja, ja und hörte auf

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