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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Unmöglich!«
    »Kommen Sie schon, treten Sie ein, fühlen Sie sich wie zu Hause.«
     
    Er war so groß, daß er sich sogleich setzen mußte. Er rang nach Worten, aber ausnahmsweise war nicht das Stottern das Problem, sondern eher eine Art – Staunen.

»Es ist … Es ist …«
    »Es ist klein.«
    »Nein, es ist, wie soll ich sagen … schmuck. Ja, es ist regelrecht schmuck und … pittoresk, nicht wahr?«
    »Sehr pittoresk«, wiederholte Camille lachend.
    Er schwieg einen Moment.
    »Wahrhaftig? Sie wohnen hier?«
    »Eh, ja.«
    »Ganz?«
    »Ganz.«
    »Das ganze Jahr?«
    »Das ganze Jahr.«
    »Es ist klein, nicht wahr?«
    »Ich heiße Camille Fauque.«
    »Natürlich, erfreut. Philibert Marquet de La Durbellière«, verkündete er und stand auf, wobei er mit dem Kopf an die Decke stieß.
    »So lang?«
    »Oh ja.«
    »Haben Sie einen Spitznamen?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Haben Sie meinen Kamin gesehen?«
    »Pardon?«
    »Hier. Mein Kamin.«
    »Da, da ist er ja! Sehr schön«, fügte er hinzu und setzte sich wieder, wobei er seine Beine vor den Plastikflammen ausstreckte, »sehr, sehr schön. Man könnte meinen, man sei in einem englischen Cottage, ist es nicht so?«
     
    Camille war zufrieden. Sie hatte sich nicht geirrt. Dieser Junge war ein komischer Kauz, aber ein vollkommenes Geschöpf.
     
    »Er ist schön, nicht?«
    »Herrlich! Zieht er wenigstens gut?«
    »Ausgezeichnet.«
    »Und das Holz?«
    »Ach, wissen Sie, bei dem Sturm, da braucht man sich heutzutage nur zu bücken.«
    »Ich weiß es leider nur zu gut. Wenn Sie das Unterholz bei meinen Eltern sähen. Eine wahre Katastrophe. Aber das hier ist Eiche, oder?«
    »Sehr gut!«
    Sie lächelten sich an.
    »Wäre Ihnen ein Glas Wein genehm?«
    »Äußerst.«
     
    Camille war vom Inhalt des Koffers entzückt. Es fehlte nichts, die Teller waren aus Porzellan, das Besteck aus vergoldetem Silber, die Gläser aus Kristall. Es gab sogar einen Salzstreuer, eine Pfeffermühle, Essig und Öl, Kaffeetassen, Teetassen, Servietten aus besticktem Leinen, eine Schüssel, eine Saucière, eine Obstschale, ein Döschen für Zahnstocher, einen Zuckerstreuer, Fischbesteck und eine Kanne für Kakao. Auf alldem war das Wappen der Familie ihres Gastes eingraviert.
    »So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.«
    »Verstehen Sie, daß ich nicht gestern kommen konnte? Wenn Sie wüßten, wie viele Stunden ich damit zugebracht habe, alles zu polieren, bis es glänzt.«
    »Das hätten Sie mir doch sagen können!«
    »Meinen Sie nicht, wenn ich vorgegeben hätte: ›Heute abend nicht, ich muß meinen Koffer noch auf Vordermann bringen‹, Sie hätten mich dann für verrückt gehalten?«
    Sie enthielt sich wohlweislich eines Kommentars.
     
    Sie breiteten eine Tischdecke auf dem Boden aus, und Philibert Soundso deckte auf.
     
    Sie setzten sich in den Schneidersitz, erfreut, vergnügt, wie zwei Kinder, die ihr neues Puppengeschirr einweihen, peinlichst darauf bedacht, daß nichts zu Bruch geht. Camille, die nicht kochen konnte, war zu Goubetzkoï gegangen und hatte eine Auswahl an Taramas, Lachs, eingelegtem Fisch und Zwiebelpaste gekauft. Sorgfältig füllten sie die Schälchen des Großonkels und weihten eine Art praktischen Handtoaster ein, bestehend aus einem alten Topfdeckel und Alufolie, um die Blinis auf der Kochplatte zu erhitzen. Der Wodka lag in der Dachrinne, und man brauchte nur das Oberlicht aufzumachen, um sich einzuschenken. Dieses Auf- und Zumachen kühlte das Zimmer zwar aus, aber der Kamin knisterte und bezog sein Feuer von Gott.
     
    Wie gewöhnlich trank Camille mehr, als sie aß.
    »Es stört Sie doch nicht, wenn ich rauche?«
    »Aber ich bitte Sie. Ich würde allerdings gerne meine Beine ausstrecken, ich fühle mich ganz steif.«
    »Setzen Sie sich auf mein Bett.«
    »A… aber nicht doch, ich … Ich werde nichts dergleichen tun.«
    Bei der geringsten Gefühlsregung vergaß er seine Wörter und seine Eloquenz.
    »Aber ja doch, nur zu! Im Grunde ist es ein Schlafsofa.«
    »Wenn das so ist.«
    »Wir könnten uns vielleicht duzen, Philibert?«
    Er erbleichte.
    »Oh nein, ich … Was mich betrifft, ich könnte es nicht, aber Sie … Sie …«
    »Stop! Zapfenstreich! Ich habe nichts gesagt! Ich habe nichts gesagt! Außerdem finde ich das Siezen wunderbar, es ist sehr charmant, sehr …«
    »Pittoresk?«
    »Genau!«
     
    Philibert aß auch nicht viel, aber er war so langsam und so behutsam, daß unsere perfekte kleine Hausfrau sich dazu beglückwünschte,

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