Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
seine Papierkügelchen, machte daraus auf seiner wunderschönen Schreibtischunterlage aus Buckelochsenleder einen kleinen Haufen und hinterließ eine Nachricht an seine Adresse: Sehr geehrter Herr, Sie sind ein Schwein, und ich bitte Sie, diesen Ort künftig so sauber wie möglich zu hinterlassen. P.S.: Schauen Sie mal nach unten, dort steht so ein überaus praktisches Ding, namens Papierkorb … Sie schmückte ihre Tirade mit einer bösen Zeichnung, auf der man ein kleines Schwein im Dreiteiler sehen konnte, das sich bückte, um nachzuschauen, welche Kuriosität sich da unter seinem Schreibtisch befand. Anschließend gesellte sie sich zu ihren Kolleginnen, um ihnen mit der Eingangshalle zu helfen.
    »Was grinst du so?« wunderte sich Carine.
    »Nichts.«
    »Du bist schon ’ne Nummer, du …«
    »Was machen wir anschließend?«
    »Die Treppen von B…«
    »Schon wieder? Die haben wir doch grad erst gemacht!«
    Carine zuckte mit den Schultern.
    »Wollen wir?«
    »Nein. Wir müssen noch auf Super Josy warten, wegen dem Bericht …«
    »Was für einem Bericht?«
    »Keine Ahnung. Wir benutzen anscheinend zuviel Putzmittel …«
    »Das kapier, wer will … Neulich haben wir angeblich nicht genug genommen … Ich geh nach draußen, eine paffen, kommst du mit?«
    »Ist mir zu kalt.«
     
    Camille ging also allein nach draußen und lehnte sich an eine Straßenlaterne.
    »… 02-12-03 … 00:34 … –4 °C …« lief die Leuchtschrift über das Schaufenster eines Optikers.
    Da wußte sie, was sie Mathilde Kessler kürzlich hätte antworten sollen, als diese leicht gereizt gefragt hatte, wie ihr Leben im Moment aussehe.
    »… 02-12-03 … 00:34 … –4 °C …«
     
    Das war’s.
    Genau so.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    17
     
     
     
    »Ich weiß! Ich weiß es ja! Aber warum machen Sie so ein Drama daraus? Das ist doch Blödsinn!«
    »Hör mir zu, mein lieber Franck, erstens sprichst du in einem anderen Ton mit mir, und zweitens bist du gerade der Richtige, mir Vorhaltungen zu machen. Ich kümmere mich jetzt seit fast zwölf Jahren um sie, schaue mehrmals in der Woche bei ihr vorbei, nehme sie mit in die Stadt und passe auf sie auf. Zwölf Jahre, hörst du? Und bis jetzt kann man nicht behaupten, daß es dich groß interessiert hätte … Niemals ein Dankeschön, niemals ein Zeichen der Anerkennung, nichts. Nicht einmal neulich, als ich mit ihr ins Krankenhaus gefahren bin und sie anfangs jeden Tag besucht habe, ist dir der Gedanke gekommen, mich mal kurz anzurufen oder mir ein Blümchen zu schicken. Gut, das macht nichts, ich tue es nämlich nicht für dich, sondern für sie. Weil deine Großmutter ein feiner Mensch ist … Ein feiner Mensch, hörst du? Ich mache dir keine Vorwürfe, mein Junge, du bist jung, du wohnst weit weg, und du hast dein eigenes Leben, aber manchmal, weißt du, belastet mich das alles. Belastet es mich … Ich habe auch meine Familie, meine Sorgen und meine kleinen gesundheitlichen Beschwerden, deshalb sage ich es dir geradeheraus: Jetzt mußt du die Verantwortung übernehmen.«
    »Wollen Sie, daß ich ihr Leben kaputtmache und sie in eine Anstalt stecke, nur weil sie einen Topf auf dem Herd vergessen hat, ja?«
    »Hör mal! Du redest ja von ihr wie von einem Hund!«
    »Nein, ich rede gar nicht von ihr! Sie wissen genau, wovon ich rede! Sie wissen genau, daß sie den Schock nicht verkraftet, wenn ich sie in eine Verwahrungsanstalt stecke. Scheiße noch mal! Sie haben doch gesehen, wie sie sich das letzte Mal angestellt hat!«
    »Du mußt jetzt nicht ausfallend werden, weißt du?«
    »Entschuldigen Sie, Madame Carminot, entschuldigen Sie … Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht … Ich … Ich kann ihr das nicht antun, verstehen Sie? Für mich ist das so, als würde ich sie umbringen …«
    »Wenn sie allein bleibt, wird sie es sein, die sich umbringt …«
    »Na und? Wäre das nicht besser?«
    »So siehst du die Dinge, aber mich kriegst du damit nicht. Wenn der Briefträger letztens nicht im richtigen Moment dazukommen wäre, hätte das ganze Haus gebrannt, und das Problem ist, daß der Briefträger nicht immer dasein wird. Und ich auch nicht, Franck. Ich auch nicht. Es ist zuviel geworden, das Ganze … Zuviel Verantwortung … Jedesmal, wenn ich zu ihr komme, frage ich mich, wie ich sie vorfinden werde, und an den Tagen, an denen ich nicht vorbeigehe, kann ich nicht ruhig

Weitere Kostenlose Bücher