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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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ihr Bauch: Die Steine waren zurück. Sie stellte sich mit aller Kraft etwas Schönes vor, um nicht loszuheulen, und redete sich schließlich ein, sie sei wie ihre Mutter: durcheinander wegen der Feiertage.
    Sie arbeitete still für sich.
     
    Sie hatte keine große Lust mehr, die Reise fortzusetzen. Sie mußte den Tatsachen ins Auge sehen. Sie schaffte es nicht.
    Sie würde wieder nach oben ziehen, in das Kämmerchen der Louise Leduc, und ihre Tasche abstellen.
    Endlich.
     
    Eine kurze Nachricht auf dem Schreibtisch des Herrn Exferkel riß sie aus ihren düsteren Gedanken:
    Wer sind Sie? fragte eine schwarze, steile Schrift.
    Sie stellte ihr Spritzfläschchen hin, legte die Lappen beiseite, setzte sich auf den riesigen Ledersessel und suchte nach zwei leeren Blättern.
     
    Auf das erste Blatt zeichnete sie eine Art Kater Karlo, struppig und zahnlos, der sich auf einen fransigen Besen stützte und böse lächelte. Ein Liter Rotwein ragte aus seinem Kittel heraus, Proclean, die Profis etc. und er stimmte zu: Tja, das bin ich.
    Auf das zweite Blatt zeichnete sie ein Pin-up-Girl der fünfziger Jahre. Hand auf der Hüfte, Schmollmund, ein Bein angewinkelt, die Brüste in eine hübsche Spitzenschürze gezwängt. Sie hielt einen Staubwedel in der Hand und gab zurück: Aber nicht doch – das bin ich.
    Mit einem Textmarker hatte sie die Wangen rosa eingefärbt.
     
    Aufgrund dieser Albernheiten hatte sie die letzte Metro verpaßt und mußte zu Fuß nach Hause gehen. Pah, darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Ein weiteres Zeichen nur. Sie war jetzt beinahe auf dem Grund angelangt, aber noch nicht ganz, oder?
    Sie mußte sich noch etwas anstrengen.
    Noch ein paar Stunden in der Kälte, und es wäre soweit.
     
    Als sie das Tor aufmachte, fiel ihr ein, daß sie ihren Schlüssel nicht zurückgegeben hatte und daß sie ihre Sachen noch ins hintere Treppenhaus stellen mußte.
    Und daß sie ihrem Gastgeber vielleicht noch eine Nachricht hinterlassen sollte?
     
    Sie ging auf die Küche zu und sah zu ihrer Verärgerung, daß dort Licht brannte. Bestimmt Monsieur Marquet de la Durbellière, Ritter der traurigen Gestalt, eine heiße Kartoffel im Mund und eine Batterie an Scheinargumenten, um sie zurückzuhalten. Einen kurzen Moment erwog sie, umzukehren. Sie hatte nicht die Kraft, sein Gefasel zu ertragen. Andererseits, wollte sie die Nacht überleben, brauchte sie ihren Heizkörper.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    9
     
     
     
    Er saß am anderen Tischende und spielte mit dem Deckel seiner Bierflasche.
    Camille umschloß fest den Türgriff und spürte, wie ihr die Fingernägel ins Fleisch schnitten.
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte er.
    »Ja?«
    »Ja.«
    »…«
    »Willst du dich nicht setzen?«
    »Nein.«
    Einige Zeit verharrten sie so, schweigend.
    »Du hast nicht zufällig den Schlüssel zur Hintertür gesehen?« fragte sie schließlich.
    »In meiner Tasche.«
    Sie seufzte.
    »Gib ihn mir.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich nicht will, daß du gehst. Ich verschwinde. Wenn du nicht mehr da bist, ist mir Philibert bis ans Ende seiner Tage böse. Vorhin schon, als er den Karton sah, hat er mir die Hölle heiß gemacht, er ist seitdem nicht mehr aus seinem Zimmer gekommen. Deshalb ziehe ich aus. Nicht deinetwegen, sondern seinetwegen. Das kann ich ihm nicht antun. Er wird wieder so werden wie vorher, und das will ich nicht. Das hat er nicht verdient. Er hat mir geholfen, als ich in der Scheiße steckte, und ich will ihm nicht weh tun. Ich will nicht mehr sehen, wie er jedesmal leidet und sich wie eine Schlange windet, wenn ihm jemand eine Frage stellt, das geht nicht. Es ging schon besser mit ihm, bevor du kamst, aber seit du da bist, ist er fast normal, und ich weiß, daß er jetzt weniger Pillen nimmt. Du brauchst nicht zu gehen. Ich hab einen Kumpel, bei dem ich nach den Feiertagen unterschlüpfen kann.«
    Stille.
     
    »Kann ich ein Bier von dir haben?«
    »Nur zu.«
    Camille schenkte sich ein Glas ein und setzte sich ihm gegenüber.
    »Darf ich eine rauchen?«
    »Nur zu, sag ich doch. Tu so, als sei ich nicht da.«
    »Nein, das kann ich nicht. Das ist unmöglich. Wenn du in einem Raum bist, ist eine solche Spannung in der Luft, so viel Aggressivität, daß ich mich nicht natürlich verhalten kann und …«
    »Was und?«
    »Und mir geht’s wie dir, stell dir vor, ich bin müde. Nicht aus den gleichen Gründen, wie ich mir denken kann … ich arbeite weniger, aber

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