Zusammen ist man weniger allein
sonst ist es das gleiche. Es ist was anderes, aber das gleiche. Mein Kopf ist müde, verstehst du? Außerdem will ich hier weg. Ich merke deutlich, daß ich nicht länger in einer Wohngemeinschaft leben kann, und ich …«
»Ja?«
»Nein, nichts. Ich bin müde, sage ich doch. Und du bist unfähig, dich anderen gegenüber normal zu verhalten. Immer mußt du brüllen, die anderen angreifen. Ich denke mir, das hängt mit deiner Arbeit zusammen, der Atmosphäre in der Küche, die abfärbt. Keine Ahnung. Und außerdem ist es mir ehrlich gesagt so was von egal. Aber eins ist sicher: Ich gebe euch eure Zweisamkeit zurück.«
»Nein, ich werd gehen, ich hab keine Wahl, sag ich doch. Für Philou zählst du mehr, du bist wichtiger geworden als ich.«
»C’est la vie«, fügte er lachend hinzu.
Und zum ersten Mal sahen sie sich in die Augen.
»Ich hab ihn besser bekocht als du, so viel ist sicher! Aber ich hab nun mal nichts am Hut mit den weißen Haaren der Marie-Antoinette. Das geht mir am Arsch vorbei, und deshalb hab ich verloren. Ach, übrigens! Danke für die Anlage.«
Camille war aufgestanden: »Es ist doch in etwa die gleiche, oder?«
»Bestimmt.«
»Prima«, folgerte sie freudlos. »Okay, und der Schlüssel?«
»Welcher Schlüssel?«
»Komm schon.«
»Deine Sachen sind wieder in deinem Zimmer, und ich hab dein Bett bezogen.«
»Du hast mein Bett bezogen? Hoffentlich nicht mein Zimmer.«
»Mann, du bist wirklich ätzend.«
Sie wollte gerade gehen, als er mit dem Kinn auf ihr Skizzenheft deutete:
»Hast du das gemacht?«
»Wo hast du das gefunden?«
»He … Ganz ruhig. Es lag hier auf dem Tisch. Ich hab nur reingeschaut, während ich auf dich gewartet hab.«
Sie wollte es sofort wieder an sich nehmen, als er hinzufügte:
»Wenn ich dir was Nettes sage, beißt du mich dann?«
»Probier’s halt mal.«
Er nahm es hoch, blätterte ein paar Seiten um, legte es wieder hin und wartete noch einen Moment, bis sie sich endlich umdrehte:
»Das ist toll, weißt du? Superklasse. Supergut gezeichnet. Das ist … Na ja, wenn ich das sage. Ich kenn mich ja nicht sonderlich gut aus. Überhaupt nicht, eigentlich. Aber ich wart seit fast zwei Stunden auf dich, in dieser Küche, wo man sich einen abfriert, und die Zeit ist nur so verflogen. Ich hab mich nicht eine Minute gelangweilt. Ich … Ich hab mir hier die ganzen Gesichter angeschaut. Meinen Philou und seine Leute. Wie gut du sie getroffen hast, wie schön du sie gemacht hast. Und die Wohnung. Ich wohn seit über einem Jahr hier und hatte gedacht, sie wäre leer, das heißt, ich hab nichts mitgekriegt. Und du … Tja, das ist echt Wahnsinn.«
»…«
»He, warum heulst du jetzt?«
»Die Nerven, glaube ich.«
»Na, so was. Willst du noch ein Bier?«
»Nein, danke. Ich gehe jetzt schlafen.«
Als sie im Badezimmer war, hörte sie, wie er an Philiberts Zimmertür hämmerte und brüllte:
»Okay, Kumpel! Alles in Ordnung. Sie ist nicht ausgeflogen! Du kannst jetzt pissen gehen!«
Als sie das Licht ausmachte, glaubte sie zu erkennen, wie ihr der Marquis zwischen seinen Barthaaren zulächelte. Sie schlief sofort ein.
10
Es war milder geworden. Es lag etwas von Freude, von Leichtigkeit in der Luft, samsing in si air. Alle waren unterwegs, um Geschenke zu kaufen, und Josy B. hatte ihre Haare frisch gefärbt. Ein wunderschöner rotbrauner Schimmer, der ihr Brillengestell richtig zur Geltung brachte. Auch Mamadou hatte sich ein wunderbares, künstliches Haarteil gekauft. Eines Abends, als sie zu viert zwischen zwei Stockwerken eine Flasche Sekt köpften, die sie vom Wettgewinn gekauft hatten, hielt sie ihnen einen Vortrag über Haartrachten.
»Wie lange sitzt du beim Friseur, wenn du dir die ganze Stirn so auszupfen läßt?«
»Ach … Nicht so lange. Zwei, drei Stunden vielleicht. Es gibt Frrisuren, die viel länger dauern, weißt du? Bei meiner Sissi zum Beispiel hat es mehr als vier Stunden gedauert.«
»Mehr als vier Stunden! Und was macht sie die ganze Zeit? Ist sie denn brav?«
»Natürlich nicht, natürlich ist sie nicht brav! Sie macht dasselbe wie wir, sie lacht, sie ißt, und sie hört zu, wie wir unsere Geschichten erzählen. Wir erzählen uns viele Geschichten. Viel mehr als ihr.«
»Und du, Carine? Was machst du an Weihnachten?«
»Ich nehm zwei Kilo zu. Und du, Camille, was machst du an Weihnachten?«
»Ich nehm zwei Kilo ab. Nein, war nur ein
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