Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
zurückkehrten, drehte sich der Wind. Diejenigen, die ihre Kochmütze noch nicht aufgesetzt hatten, holten dies jetzt nach, und der Chef stützte seinen Bauch auf die Durchreiche und verschränkte die Arme darauf. Es war mucksmäuschenstill.
    »An die Arbeit, meine Herren.«
     
    Es war, als erhitzte sich der Raum um ein Grad pro Sekunde. Alle rannten geschäftig hin und her und waren darauf bedacht, niemandem im Weg zu stehen. Die Gesichter waren angespannt. Hier und da waren halb unterdrückte Flüche zu hören. Manche blieben eher ruhig, andere, wie dieser Japaner hier, schienen kurz vor der Implosion zu stehen.
     
    Die Ober warteten in einer langen Schlange vor der Durchreiche, während sich der Chef über jeden Teller beugte und ihn genauestens prüfte. Der Junge ihm gegenüber hatte ein winziges Schwämmchen in der Hand, um etwaige Fingerabdrücke oder Soßenspuren abzuwischen, und sobald der Dicke nickte, nahm ein Ober das große Silbertablett mit zusammengebissenen Zähnen auf.
    Camille kümmerte sich mit Marc um die Appetithäppchen. Sie arrangierte irgendwelche Zutaten auf Tellern, kleine Scheibchen oder Schalen von irgendwas Rötlichem. Sie traute sich nicht, noch mehr Fragen zu stellen. Anschließend verteilte sie Schnittlauchhalme.
    »Schneller, wir haben heut abend nicht die Zeit, an jedem einzelnen Ding rumzubasteln.«
    Sie suchte sich eine Schnur, um ihre Hose hochzubinden, und fluchte, weil ihr die Kochmütze ständig in die Augen rutschte. Ihr Kollege holte eine kleine Klammer aus seinem Messerkoffer:
    »Hier.«
    »Danke.«
    Dann lauschte sie einem Ober, der ihr erklärte, wie man das leicht gesüßte Hefebrot zu Dreiecken toastete und die Ränder abschnitt:
    »Wie stark sollen sie denn getoastet sein?«
    »Tja, goldbraun halt.«
    »Komm, mach mir mal eins vor. Zeig mir genau die Farbe, die du haben willst.«
    »Die Farbe, die Farbe. Das sieht man doch nicht an der Farbe, das hat man im Gefühl.«
    »Schön, aber ich funktionier halt mal mit Farben, also mach mir eins vor, sonst streßt mich das zu sehr.«
     
    Sie nahm ihre Mission sehr ernst und ließ sich bei keiner Nachlässigkeit ertappen. Die Kellner holten sich ihre Toasts und ließen sie in eine Serviettenfalte rutschen. Sie hätte gerne ein kleines Kompliment gehört: »Mensch, Camille, was für herrliche Toasts du uns machst!« Aber nun gut …
     
    Franck sah sie nur von hinten, er hantierte am Herd wie ein Schlagzeuger an seinem Instrument: ein Deckel hier, ein Deckel da, ein Löffelchen hier, ein Löffelchen da. Der große Hagere, der Zweite, nach allem, was sie verstanden hatte, stellte ihm unablässig Fragen, auf die er nur selten und lautmalerisch antwortete. Seine Töpfe waren alle aus Kupfer, und er mußte ein Geschirrtuch zur Hilfe nehmen, um sie anzufassen. Er schien sich mehrmals zu verbrennen, denn sie sah, wie er die Hand schüttelte und sie dann zum Mund führte.
     
    Der Chef war erregt. Es ging ihm nicht schnell genug. Es ging ihm zu schnell. Es war nicht heiß genug. Es war verkocht. »Konzentration, meine Herren, Konzentration!« wiederholte er unaufhörlich. Je ruhiger es bei ihnen wurde, um so mehr wurde gegenüber rangeklotzt. Es war beeindruckend. Sie sah, wie sie schwitzten und sich wie Katzen den Kopf an der Schulter abrieben, um sich die Stirn zu trocknen. Vor allem der Typ am Grill war feuerrot und nuckelte ständig an einer Wasserflasche, wenn er zwischen seinen Vögeln hin- und herlief. (Viechern mit Flügeln, manche deutlich kleiner als ein Hähnchen, andere doppelt so groß.)
     
    »Hier vergeht man ja … ie heiß ist es hier, was meinst du?«
    »Keine Ahnung. Dort drüben bei den Feuerstellen sind es mindestens vierzig Grad. Vielleicht auch fünfzig? Körperlich sind das die härtesten Plätze. Hier, bringst du das zum Spülen. Und paß auf, daß du niemandem in den Weg läufst.«
     
    Sie sperrte die Augen auf, als sie die Berge von Töpfen, Backblechen, Brätern, Metallschüsseln, Sieben und Pfannen sah, in den riesigen Spülbecken gleichmäßig verteilt. Hier war weit und breit kein Weißer mehr zu sehen, und der kleine Mann, an den sie sich wandte, nahm ihr die Sachen mit einem Kopfnicken aus der Hand. Offensichtlich verstand er kein Wort Französisch. Camille blieb einen Moment stehen und sah ihm zu, und wie immer, wenn sie sich einem dieser Entwurzelten vom anderen Ende der Welt gegenübersah, begannen ihre billigen kleinen Mutter-Teresa-Lämpchen wie wild zu blinken: Wo kam er her? Aus Indien? Aus

Weitere Kostenlose Bücher