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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Füßen zuerst.«
    »…«
    »Weißt du, manchmal denke ich, daß ich bereit bin, und dann wieder, ich … ich …«
    »Ach, Omi du …« Und zum ersten Mal in seinem Leben schloß er sie in die Arme.
     
    Sie verabschiedeten sich auf dem Parkplatz, und er war erleichtert, daß er sie nicht selbst in ihr Loch zurückbringen mußte.
    Als er den Ständer hochschob, kam ihm sein Motorrad schwerer vor als sonst.
    Er war mit seiner Freundin verabredet, er hatte ein bißchen Kleingeld in der Tasche, ein Dach über dem Kopf, eine Stelle, er hatte sogar seine Gagabine und seinen Filouchard gefunden, und trotzdem verging er vor Einsamkeit.
     
    So ein Scheiß, brummte er in seinen Helm, so ein Scheiß. Er wiederholte es nicht noch einmal, weil es nichts brachte, und außerdem beschlug sein Visier.
    So ein Scheiß.
     
     
     
     
     
     
     
     
    4
     
     
     
    »Hast du schon wieder deinen Schlüssel vergess…«
    Camille sprach den Satz nicht zu Ende, weil sie sich im Adressaten geirrt hatte. Es war nicht Franck, sondern die junge Frau von neulich. Die er an Heiligabend rausgeschmissen hatte, nachdem er sie flachgelegt hatte.
    »Ist Franck nicht da?«
    »Nein. Er ist zu seiner Großmutter gefahren.«
    »Wie spät ist es?«
    »Eh … so gegen sieben, glaube ich.«
    »Hast du was dagegen, wenn ich hier auf ihn warte?«
    »Natürlich nicht. Komm rein.«
    »Stör ich?«
    »Überhaupt nicht! Ich war grad dabei, vorm Fernseher ins Koma zu fallen.«
    »Guckst du denn fern?«
    »Na klar, warum nicht?«
     
    »Ich warne dich, ich habe mich für die bescheuertste Sendung entschieden. Nur Weiber, die wie Nutten rumlaufen, und Showmaster im taillierten Anzug, die Zettel vorlesen und dabei ganz maskulin die Beine spreizen. Ich glaube, eine Art Karaoke mit irgendwelchen Stars, aber ich kenne keinen davon.«
    »Doch, doch, den hier kennst du, das ist der Typ von Star Academy.«
    »Star Academy, was ist das denn?«
    »Ah ja, wußt ich’s doch. Das hat mir Franck schon erzählt, du guckst nie fern.«
    »Nicht viel, nein. Aber das hier find ich klasse. Ich hab das Gefühl, mich in einem ziemlich heißen Schlammbad zu suhlen. Mmm. Die sehen alle gut aus, es gibt pausenlos Küßchen auf die Wange, und die Mädels passen gut auf, daß ihre Wimperntusche nicht verschmiert, wenn sie flennen. Total ergreifend, wirst schon sehen …«
    »Kann ich mich setzen?«
    »Hier«, sagte Camille, rückte zur Seite und hielt ihr das andere Ende der Decke hin. »Willst du was trinken?«
    »Woran hängst du grad?«
    »An einem Bourgogne Aligoté.«
    »Warte, ich hol mir ein Glas.«
     
    »Was geht denn hier ab?«
    »Ich versteh nichts mehr.«
    »Schenk mir was ein, ich erklär’s dir gleich.«
     
    Sie unterhielten sich während der Werbepause. Sie hieß Myriam, kam aus Chartres, arbeitete in einem Friseursalon in der Rue Saint-Dominique und wohnte zur Untermiete in einer Einzimmerwohnung im 15. Arrondissement. Sie machten sich Sorgen um Franck, sprachen ihm eine Nachricht aufs Handy und stellten den Ton wieder lauter, wenn die Sendung weiterging. Nach der dritten Werbeunterbrechung waren sie Freundinnen.
    »Seit wann kennst du ihn?«
    »Keine Ahnung. Einen Monat vielleicht.«
    »Ist es was Ernstes?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er nur von dir spricht! Nee, ich mach nur Spaß. Er hat mir nur erzählt, daß du supergut malst. Sag mal, soll ich dich nicht ein bißchen herrichten, wo ich schon mal da bin?«
    »Pardon?«
    »Deine Haare?«
    »Jetzt?«
    »Na ja, später bin ich zu knülle, und dann kann es passieren, daß ich dir ein Ohr abschneide!«
    »Aber du hast doch nichts hier, nicht mal eine Schere.«
    »Habt ihr keine Rasierklingen im Bad?«
    »Eh … doch. Ich glaube, Philibert benutzt noch einen altsteinzeitlichen Säbel.«
     
    »Was genau hast du vor?«
    »Dich weicher machen.«
    »Macht es dir was aus, wenn wir uns vor einen Spiegel setzen?«
    »Hast du Angst? Willst du mich überwachen?«
    »Nein, dich beobachten.«
     
    Myriam dünnte ihr die Haare aus, und Camille malte die Szene.
    »Darf ich das haben?«
    »Nein, alles, was du willst, aber nicht das. Selbstporträts, selbst so verstümmelte wie dieses hier, behalte ich.«
    »Warum?«
    »Weiß nicht. Ich habe das Gefühl, wenn ich mich immer wieder male, werde ich mich irgendwann auch mal erkennen.«
    »Wenn du dich im Spiegel betrachtest, erkennst du dich dann nicht?«
    »Ich finde mich immer häßlich.«
    »Und auf deinen Bildern?«
    »Auf meinen Bildern nicht

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