Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält
viel mehr Maschinen und Apparate als unsere Vorfahren, aber wir wissen weniger als sie, wie wir guten Gebrauch davon machen können. Wir haben dank der modernen Kommunikationsmittel mehr zwischenmenschliche Kontakte, aber wir wissen nicht so recht, wie man gut kommuniziert. Praktische Fertigkeiten bringen nicht das Heil, sondern sind nur Werkzeuge, doch ohne sie bleiben Fragen nach Sinn und Wert bloße Abstraktionen.
Das Homo-Faber-Projekt kreist um die ethische Frage, in welchem Maße wir Herren unserer selbst werden können. Im sozialen und persönlichen Leben haben wir alle mit den Grenzen zu kämpfen, die unseren Wünschen und unserem Willen gesetzt sind, oder auch mit der Erfahrung, dass die Bedürfnisse anderer Menschen sich nicht mit unseren Bedürfnissen versöhnen lassen. Diese Erfahrung sollte uns Bescheidenheit lehren und damit auch ein ethisches Leben fördern, in dem wir erkennen und ehren, was jenseits unserer selbst liegt. Dennoch vermag niemand als passives, willenloses Wesen zu überleben. Wir müssen immerhin versuchen, unser Leben selbst zu bestimmen. Als Philosoph interessiere ich mich in all diesen Studien für jenen angespannten, vieldeutigen Erfahrungsbereich, in dem Können und Kompetenz auf Widerstand und hartnäckige Unterschiede stoßen.
Obwohl ich hoffe, dass die drei Bände eine Einheit bilden werden, sollen sie doch auch jeweils für sich stehen können. Sie sind für das allgemeine Publikum geschrieben, für intelligente Leser, die sich zu Recht fragen: Warum ist das wichtig? Warum ist das interessant? Ich habe mich bemüht, akademische Streitereien – die für ein allgemeines Publikum niemals sonderlichen Wert besitzen – ganz zu vermeiden oder wissenschaftliche Auseinandersetzungen in die Anmerkungen zu verweisen.
Listen mit Danksagungen werden leicht zu Telefonverzeichnissen. Auf meiner Shortlist derer, denen Dank gebührt, steht an erster Stelle meine Frau Saskia Sassen. Sie hat mich gedrängt, nicht allzu literarisch zu werden. Ich habe einzelne Fallstudien an ihr erprobt, um zu sehen, wann sie ihr langweilig werden. Ich möchte meinem britischen Verleger und Lektor Stuart Proffitt und meiner deutschen Verlegerin und Lektorin Elisabeth Ruge danken, die mich beide gedrängt haben, literarischer zu werden. Beide sind Verleger, die wirklich noch lektorieren – eine aussterbende Kunst. Ganz praktisch geht mein Dank an meine Assistenten Hillary Angelo und Dom Bagnato, beides Freunde, die dafür sorgen, dass die Dinge zustande kommen. Das gilt auch für Elizabeth Stratford, die dieses Buch redigiert hat. Mein intellektueller Dank geht an zwei langjährige Freunde, Craig Calhoun und Bruno Latour, Ersterer ein leidenschaftlicher Korrektor geistiger Irrtümer, Letzterer ein gelassener Anreger solcher Ideen. Schließlich möchte ich noch einem neuen Freund danken, Erzbischof Rowan Williams, dessen Schriften Theologie, Philosophie und Kunst umspannen. Seine Religion ist nicht die meine, aber sein Verständnis dessen, was Bücher leisten sollen, hat mich inspiriert
Einleitung
Kooperation als Grundhaltung
Auf einem Schulhof in London ließ ein Schulkamerad meines Enkels einmal über die Lautsprecheranlage der Schule einen Song von Lily Allen ertönen: »Fuck you, fuck you, very much, cause we hate what you do and we hate your whole crew« , während eine Sechsjährige ihre Hüften zu der Musik schwang. Die Schulleitung war entsetzt über den Streich, handelte es sich doch um eine »unberechtigte Benutzung« der Anlage. Ich gebe zu, das rebellische Kind in mir bewunderte diese Vereinnahmung der schulischen Lautsprecheranlage. Aber auch ich war entsetzt. Die Jungen hatten nicht verstanden, dass die Sängerin sich über ihre eigenen Worte lustig machte. Ihnen erschien das »fuck you, fuck you« als unverblümter Ausdruck des »Wir-gegen-sie«. 1 Das ist eine gefährliche Geisteshaltung in dem Teil Londons, in dem die Schule liegt. Angesichts der Mischung verschiedener Religionen, Rassen und Klassen in diesem Teil der Stadt ist das »Wir-gegen-sie« ein Rezept für Konflikte, und tatsächlich ist es dort regelmäßig zu Gewaltausbrüchen gekommen.
In Amerika höre ich, wenn ich in masochistischer Stimmung bin, Talkradiosender, die »fuck you, fuck you« gegen »Nazifeministinnen«, Liberale, weltliche Humanisten, verheiratete Homosexuelle und natürlich Sozialisten singen. Heute sind die Vereinigten Staaten eine extrem tribalistisch geprägte Gesellschaft; die Menschen wollen nichts mit
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