Zwanghafte Gier
Künstler.
»Ich glaube, das hilft mir, das Gleichgewicht zu bewahren«, sagte er. »Ich nehme an, ich bin Bauarbeiter geworden, weil ich nach einem Weg gesucht habe, meine Gefühle durch etwas körperlich Anstrengendes, aber Nützliches zu kanalisieren.«
»Wie sehen deine Bilder denn aus?« Alex war fasziniert.
Jude lächelte. »Das zu beantworten, ist mir schon immer schwergefallen.«
»Vielleicht könnte ich sie mir ja mal anschauen«, sagte sie. »Wenn es dir nichts ausmacht.«
»Sie sind nichts Besonderes.«
»Besonders genug, dass die Leute sie kaufen wollen«, erwiderte Alex.
»Ein paar. Gelegentlich.« Jude zuckte mit den Schultern. »Sie spiegeln einen ganz anderen Teil von mir ... sie sind weicher, fast schon zerbrechlich. Das habe ich mit Gleichgewicht gemeint: harte Arbeit am Tag, Malen bei Nacht.«
»Glaubst du wirklich, dass sie nichts Besonderes sind?«
Er grinste. »Ich halte sie für fantastisch.« Er hielt kurz inne. »Manchmal.«
»Ich würde sie wirklich gern sehen«, sagte Alex.
»Heute Abend?«, fragte Jude.
Alex sah das Feuer in seinen Augen und wollte von ganzem Herzen Ja sagen.
»Nein. Nicht heute Abend«, antwortete sie jedoch.
18
Vier Tage und zwei Stunden nach seinem ersten Besuch kommt Andy Swann wieder zurück.
Er klingelt an der Tür.
Frankie, die oben in Roz’ – ihrem , verdammt! – Schlafzimmer ist, schaut aus dem Fenster und sieht den kleinen weißen Lieferwagen mit dem blauen Schild auf der Seite:
Andy Swann
Installationen
Kein Job ist uns zu klein
Sie sieht, wie er wieder von der Tür zurücktritt, doch es ist zu spät, denn Swann hat sie gesehen und winkt ihr zu.
Dieser verdammte kleine Mann. Dieser schmutzige kleine Mann.
Er winkt erneut und sagt etwas.
Frankie bleibt keine andere Wahl, als hinunterzugehen und die Tür zu öffnen.
Keine andere Wahl.
»Ich habe mir Sorgen wegen ihres Problems gemacht«, sagt Swann.
Er steht auf der Türschwelle, weil Frankie ihn noch nicht hereingebeten hat.
»So bin ich nun mal«, sagt er. »Ich kann nicht anders.«
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, erwidert Frankie und versucht, nicht die Fäuste zu ballen.
»Doch, Mrs Barnes.« Er lächelt wieder sein schmeichlerisches Lächeln. »Hier steht mehr auf dem Spiel als nur eine verstopfte Leitung. Da ist auch noch die Frage des schlechten Rufs, den einige Klempner unserem gesamten Handwerk beschert haben. Und wie ich Ihnen bereits gesagt habe, gehöre ich zu denen, die einen Job bis zum Schluss durchziehen.«
Dieser dumme, schmutzige, eingebildete kleine Mann.
»Jetzt passt es mir aber nicht«, sagt Frankie.
»Ich muss es ja nicht jetzt gleich erledigen«, erwidert Swann. »Ich will nur einen raschen Blick darauf werfen, damit wir sehen, wie schlimm es ist.«
»Das ist nicht nötig ... «, Frankie betont das Wort, »weil ich schon einen anderen Klempner gerufen habe.«
Swanns Wangen färben sich vor Enttäuschung rosa, doch er weicht nicht zurück.
»Wen?«, fragt er.
»Eine andere Firma«, antwortet Frankie. Allmählich wird sie sauer.
»Es interessiert mich nur«, sagt Swann mit pampigem Unterton, »weil ich gestern auf einem Treffen unserer Berufsvereinigung war, und wie der Zufall es will, haben wir über Ihr kleines Problem gesprochen. Ich bin schon eine ganze Weile im Geschäft, Mrs Barnes. Ich kenne die seriösen Leute in meiner Branche. Wenn Sie einen von denen gerufen hätten, hätte er es mir gesagt.«
Jetzt ist sie wirklich sauer.
Sauer genug, um ihn hereinzulassen.
Denn sie sieht schon, dass er zu den Typen gehört, die nicht einfach weggehen. Und wenn er wirklich begonnen haben sollte, über sie und ihr »Problem« zu sprechen, darf sie in keinem Fall allzu unhöflich zu ihm sein. Wer weiß, was er seinen Kumpels sonst beim nächsten Mal erzählen wird. Und was Frankie ganz und gar nicht will, was sie nach all der Arbeit und Planung überhaupt nicht tolerieren kann, ist, wenn die Leute reden ...
»Sie sollten besser hereinkommen«, sagt sie.
19
Kaum hatten die Behörden grünes Licht gegeben, die Arbeiten in Luddesdown Terrace wieder aufzunehmen, hatte Ron Clark einen neuen Dachdecker eingestellt, der prompt mit einer Grippe im Bett bleiben musste. Dann fingen sich zwei Maurer und ein Maler den gleichen Virus ein, und Clark suchte sich noch einen Mann, einen Allrounder mit Namen Mike Bolin: einen großen, breiten, zähen Burschen Mitte dreißig mit lockigem dunklem Haar und attraktivem Gesicht. Doch hinter seinen schwarzen
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