Zwanghafte Gier
schrubben, bis ihre Haut blutet. Aber sie weiß, dass sie nichts tun kann, bis Andy Swann mit dem Sterben fertig ist.
Vor ein paar Minuten hat sie gedacht, dass er bereits tot sei, doch dann sah sie eine kaum wahrnehmbare Bewegung unter der Haut an seiner linken Schläfe. Der Puls. Eisiges Grauen überfiel sie. Was, wenn er gar nicht starb? Was, wenn sie mehr tun musste? Was, wenn er sich plötzlich bewegte oder gar aufstand, so wie in den Horrorfilmen?
Aber das tat er nicht.
Und jetzt, endlich, war er wirklich gegangen.
Tot.
Frankie versucht sich zu erinnern, wie gut sie nach Roz zurechtgekommen ist; aber das hier ist ganz anders, weil Roz’ Sterben sauber war und das hier so schrecklich ist, auf obszöne Art schmutzig. Und was soll sie als Erstes tun? Was? Und wieder keimt Panik in ihr auf; das Bild ist in ihrem Kopf, und sie selbst ist in dem Bild, und wenn sie auch nicht laut schreit, so schreit sie doch innerlich, und das ist noch schlimmer, viel schlimmer.
Du zuerst.
Ein wenig Klarheit ist ihr noch geblieben, ein kleines bisschen Kontrolle.
Gut gemacht, Frankie.
Sie zieht Rock, Sweatshirt und Socken aus, und sie kann es kaum ertragen, sich anzuschauen; doch es gelingt ihr, erst den einen Fuß zu heben, dann den anderen. Sie zwingt sich, ihre Fußsohlen anzuschauen, und sie weiß, dass dort Blut sein muss. Es verbirgt sich unter ihrer Haut. Sie weiß, dass sie die Fußsohlen später wund schrubben muss, aber jetzt sehen sie erst einmal sauber genug aus. Also kann sie sich jetzt wenigstens bewegen und tun, was sie tun muss.
Mit wackeligen Beinen geht sie in die Küche, sucht die Sachen zusammen, die sie braucht, und bringt sie durch den Flur in den Wintergarten. Doch sie muss mehrmals hin und zurück, weil sie sich sehr schwach fühlt und immer wieder etwas vergisst, und sie weiß, dass das später noch mehr Putzen bedeutet, denn jedes Mal hinterlässt sie Fußspuren, die sie später beseitigen muss, aber sie braucht das alles: sämtliche Müllbeutel, die sie finden kann, Handschuhe, Papiertücher, Desinfektionsmittel, Reiniger und Eimer, je zwei für einen Weg, voll mit heißem, seifigem Wasser. Und jetzt hat sie erst einmal heißes Wasser, und sollte das aufhören zu fließen, sollte die Verstopfung wieder schlimmer werden, wird sie kaltes Wasser zum Kochen bringen.
Frankie schaut auf Andy Swann hinunter, auf seinen zerfetzten Hals und den Dreck um ihn herum. Lady Macbeth kommt ihr in den Sinn – die Zeilen, die jeder kennt, die von dem toten Mann, der so viel Blut in sich hat.
Sie fragt sich, ob etwas von Swanns Blut durch die Luke gelaufen ist. Allein die Vorstellung, wieder dort hinuntergehen zu müssen, macht sie krank, aber sie weiß, dass ihr nicht übel werden darf, denn sollte sie sich erbrechen, wäre das noch schlimmer als das Blut auf dem Boden ...
Tief durchatmen.
Blut ist auf dem Mörtel zwischen den Fliesen.
»Nein«, sagt Frankie laut. »Nein, nein, nein.«
Wenn sie das nicht rasch beseitigt, wird es eintrocknen, und dann müsste sie den Mörtel oder sogar die Fliesen ersetzen, und sie würde niemals die richtigen finden, weder Fliesen von der gleichen Form noch von der gleichen Farbe. Also würde es für immer zu sehen sein und sie daran erinnern, was heute hier geschehen war. Auch anderen Leuten könnte das auffallen – falls sie sie wieder ins Haus lassen sollte. Denn nach dem hier will sie verdammt sein, sollte sie jemals wieder jemanden hereinlassen, egal wen und ganz egal, ob die Leitungen vollkommen verstopfen oder die Stromleitungen von der Decke fallen. Niemand wird je wieder ihr Haus betreten, niemand ...
Zuerst die Fliesen.
Dann Swanns Lieferwagen. Sie muss ihn in die Garage fahren, aber darum kann sie sich später kümmern.
Dann den Rest.
23
Jude konnte sich nicht daran erinnern, wann er seine Wohnung zum letzten Mal so gründlich geputzt hatte. Auch wusste er nicht, wann er zum letzten Mal so lange darüber nachgegrübelt hatte, was er anziehen oder welches Aftershave er benutzen sollte, ganz zu schweigen von der Frage, was er kochen sollte.
Moussaka. Es roch großartig – zumindest seiner Meinung nach.
Doch beinahe hätte er ganz darauf verzichtet, für sie zu kochen, denn in der Gegend gab es viele schöne Restaurants, wo sie viel besser hätten essen können. Auch war das Essen dort – besonders während des Festivals, das im Augenblick stattfand – sicher viel interessanter als alles, was er zustande brachte. Und weil Alex’ verstorbener Ehemann ein
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