Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Nemo uns bis zum Meeresgrund des Nordens mit fortschleppen oder wieder nach dem Stillen Ocean zurück bringen, verlange ich den Nautilus zu verlassen.«
    Ich gestehe offen, daß diese Erörterung mit dem Canadier mich stets in Verlegenheit setzte. Ich wollte in keiner Weise der Befreiung meiner Genossen hinderlich sein, und doch spürte ich kein Verlangen den Kapitän Nemo zu verlassen. Ihm und seinem Apparat verdankte ich es, daß ich täglich meine unterseeischen Studien vervollständigte, und ich arbeitete mein Werk über die Meerestiefen mitten in dem Element selbst um. Würde ich jemals eine solche Gelegenheit wieder finden, die Wunder des Oceans zu beobachten? Gewiß nicht! Ich konnte mich daher nicht dem Gedanken anschließen, den Nautilus vor Vollendung unserer Forschungen zu verlassen.
    »Freund Ned, sagte ich, antworten Sie mir frei heraus. Haben Sie Unlust an Bord? Bedauern Sie, daß das Schicksal Sie dem Kapitän Nemo in die Hand gegeben hat?«
    Der Canadier schwieg eine Weile. Dann kreuzte er die Arme und sprach:
    »Offen gesagt, diese Reise unter’m Meere mißfällt mir nicht. Ich werde befriedigt sein, wenn sie gemacht ist. Dafür aber muß sie ein Ende nehmen. Dies denke ich darüber.
    – Sie wird ein Ende nehmen, Ned.
    – Wo und wann?
    – Wo? weiß ich nicht. Wann? Das kann ich auch nicht sagen, oder vielmehr ich nehme an, daß sie ihr Ende erreichen wird, wann wir in diesen Meeren nichts mehr zu lernen haben werden. In dieser Welt hat alles, was einen Anfang genommen hat, auch sein Ende.
    – Ich denke wie mein Herr, erwiderte Conseil, und es ist wohl möglich, daß der Kapitän Nemo, nachdem wir alle Meere des Erdballs durchlaufen haben, uns drei zusammen in Freiheit setzen wird.
    – In Freiheit! rief der Canadier. Er wird uns schon etwas anderes versetzen.
    – Uebertreiben wir nicht, Meister Land, versetzte ich. Wir haben vom Kapitän nichts zu besorgen, aber ich theile auch nicht die Idee Conseil’s. Wir sind im Besitz der Geheimnisse des Nautilus, und ich erwarte nicht, daß sein Commandant, um uns in Freiheit zu setzen, sich darein finden wird, daß sie mit uns sich in aller Welt verbreiten.
    – Aber was erwarten Sie dann? fragte der Canadier.
    – Daß sich Umstände ergeben werden, welche wir benutzen können und dürfen, und das in sechs Monaten eben so gut, wie jetzt.
    – Der Henker! sagte Ned-Land. Und wo werden wir in sechs Monaten sein, wenn’s beliebt, Herr Naturforscher?
    – Vielleicht hier, vielleicht in China. Sie wissen, der Nautilus fährt reißend schnell. Er fliegt durch die Oceane, wie eine Schwalbe durch die Lüfte, oder ein Eilzug über die Continente. Er scheut sich nicht vor den befahrenen Meeren. Wer sagt uns, daß er nicht einmal an die Küsten Frankreichs, Englands oder Amerika’s kommen wird, wo eine Flucht mit eben so viel Vortheil unternommen werden kann, wie hier?
    – Herr Arronax, erwiderte der Canadier, Ihren Gründen fehlt’s am Grund. Sie sprechen in zukünftiger Zeit: ›Wir werden dort, wir werden hier sein!‹ Ich rede in der Gegenwart: ›Wir sind hier, und man muß das benutzen.‹«
    Die Logik Ned-Land’s hatte mich in die Enge getrieben. Ich hatte keine Argumente für mich gegen ihn geltend zu machen.
    »Mein Herr, fuhr Ned fort, setzen wir, was unmöglich der Fall, der Kapitän Nemo bietet Ihnen schon heute die Freiheit an. Würden Sie’s annehmen?
    – Ich weiß nicht, antwortete ich.
    – Und wenn er beifügt, daß er das heute gemachte Erbieten später nicht wieder machen wird, werden Sie’s dann annehmen?«
    Ich blieb die Antwort schuldig.
    »Und was denkt Freund Conseil darüber? fragte Ned-Land.
    – Freund Conseil, erwiderte gelassen dieser brave Junge, Freund Conseil hat nichts dabei zu sagen. Wie sein Herr, wie sein Kamerad Ned, ist er ohne Familie. Weder Frau, noch Eltern, noch Kinder erwarten ihn in der Heimat. Er steht im Dienste seines Herrn, denkt wie sein Herr und spricht wie sein Herr, und zu seinem großen Bedauern darf man nicht auf ihn zählen, um eine Majorität zu bilden. Es sind nur zwei Personen da: Mein Herr auf der einen, Ned-Land auf der anderen Seite. Freund Conseil hört zu, und ist bereit die Stiche zu zählen.«
    Ich konnte mich des Lachens nicht erwehren, als ich sah, wie Conseil seine Persönlichkeit so vollständig verleugnete. Im Grunde konnte der Canadier herzlich froh sein, daß er ihn nicht gegen sich hatte.
    »Also, mein Herr, sagte Ned-Land, weil Conseil nicht existirt, wollen wir nur unter uns

Weitere Kostenlose Bücher