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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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alle meine Bedürfnisse. Bald werf’ ich meine Zugnetze aus, und ziehe sie zum Bersten voll wieder herein. Bald geh’ ich mitten in diesem Element, das dem Menschen unzugänglich zu sein scheint, auf die Jagd, und erlege Wild in meinen unterseeischen Waldungen. Meine Heerden weiden, gleich denen des alten Hirten Neptun, ohne Furcht auf dem unermeßlichen Wiesenland des Oceans. Ich habe da ein ungeheures Besitzthum, das ich selbst nutzbar mache, und das von der Hand des Schöpfers aller Dinge stets eingesäet wird.«
    Ich blickte den Kapitän Nemo mit einigem Erstaunen an, und antwortete:
    »Ich begreife wohl, mein Herr, daß Ihre Netze Ihnen vortreffliche Fische auf die Tafel liefern; minder begreiflich ist mir, daß Sie Ihr Wasserwild in Ihren unterseeischen Wäldern jagen; aber durchaus unbegreiflich, daß ein Stück Fleisch, so klein es sein mag, unter Ihren Gerichten sich findet.
    – Ich habe auch, mein Herr, versetzte der Kapitän Nemo, niemals Fleisch von Landthieren auf dem Tisch.
    – Dieses doch, erwiderte ich, und wies auf einen Teller, worauf noch
    einige Schnitt Filet waren.
    – Was Sie für Fleisch halten, Herr Professor, ist nichts anders, als
    Meerschildkröte. Ebenso ist dort Leber vom Delphin, welche Sie für Schweineragout nehmen würden. Mein Koch versteht sich vortrefflich darauf, diese verschiedenen Producte des Meeres zuzubereiten und aufzubewahren. Kosten Sie alle diese Speisen. Diese Conserve von Holothurien würde ein Malaie für das beste Gericht auf der Welt halten. Jene Sahne dort ist von der Milch von Seesäugethieren, und der Zucker kommt von dem großen Fucus des Nordmeers endlich erlauben Sie mir von dem Anemonen-Confect anzubieten, welches dem schmackhaftesten Obst gleichkommt.«
    Ich kostete, mehr aus Neugierde, während der Kapitän Nemo mich durch seine unwahrscheinlichen Berichte ergötzte.
    »Aber dieses Meer, Herr Arronax, fuhr er fort, gewährt mir nicht nur die vortreffliche Nahrung, sondern auch Kleidung. Die Stoffe Ihrer Kleider sind aus den Fasern einiger Muscheln gewebt und mit antikem Purpur gefärbt. Das Parfüm auf der Toilette Ihrer Cabine ist aus Seepflanzen destillirt. So sind Ihr Bett, Ihre Feder und Tinte aus Bestandtheilen gemacht, welche das Meer liefert. So ist’s mit Allem, was ich jetzt bedarf.
    – Sie sind ein Freund des Meeres, Kapitän.
    – Ja wohl! Das Meer bedeckt sieben Zehntel der Erdoberfläche, und der Seewind ist rein und gesund. In dieser unermeßlichen Einöde ist der Mensch doch nie allein; denn er fühlt das Leben um ihn herum; ein übernatürliches wundervolles Dasein rührt sich in demselben; es ist nur Bewegung und Liebe. Und wirklich, Herr Professor, finden wir die drei Naturreiche, Mineralien, Pflanzen und Thiere in demselben repräsentirt. Das letztere Reich am stärksten durch vier Gruppen von Pflanzenthieren, drei Klassen Gliederthiere, fünf Klassen Mollusken, drei Klassen Wirbelthiere, Säugethiere, Reptilien und die unzählige Menge Fische. Diese Abtheilung des Thierreichs zählt dreizehntausend Gattungen, wovon nur der zehnte Theil den süßen Gewässern angehört. So ist das Meer eine ungeheure Wohnstätte der Natur. Es herrscht darin die äußerste Ruhe. Das Meer ist außerhalb der Macht der Tyrannen. Auf seiner Oberfläche können sie noch Ungerechtigkeit üben, sich bekämpfen, alle Schrecken verüben. Aber dreißig Fuß unterhalb hört ihre Gewalt auf. Ach! mein Herr, im Meeresschoß allein ist Unabhängigkeit! Da fühlt man sich frei!«
    Mitten in diesem Schwung des Enthusiasmus verstummte der Kapitän plötzlich. Hatte er sich zu weit aus seiner gewohnten Rückhaltung herausreißen lassen? Er ging einige Augenblicke in großer Bewegung umher.
    Darauf, als er wieder ruhig geworden, wendete er sich zu mir mit den Worten:
    »Jetzt, Herr Professor, wenn Sie den Nautilus besichtigen wollen, stehe ich zu Ihren Diensten.«
Elftes Capitel.
Der Nautilus.
    Der Kapitän Nemo stand auf. Ich folgte ihm. Eine Doppelthür im Hintergrund des Saales öffnete sich, und ich trat in ein Zimmer von gleicher Größe wie das, welches wir verließen.
    Es war eine Bibliothek. An den Wänden ragten hohe Gestelle von schwarzem Palissander mit Kupfer ausgelegt, auf deren Fachbrettern eine große Zahl gleichförmig eingebundener Bücher standen. Dieselben liefen ringsum an allen Wänden, und schlossen sich unten an geräumige mit dunkelbraunem Leder ausgeschlagene Divane, welche die bequemsten Polster darboten. Leichte, bewegliche Pulte, die man

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