Zwei an Einem Tag
Details.«
»Da gibts nichts zu erzählen.«
»Niemand in Rom? Kein nettes, katholisches Mädchen?«
»Nein.«
»Doch wohl hoffentlich keine Schülerin.«
»Ach was.«
»Und zu Hause? Wer schreibt dir noch mal diese langen, tränenverschmierten Briefe, die wir dir immer nachschicken?«
»Geht dich nichts an.«
»Zwing mich nicht, sie heimlich zu öffnen, sags mir!«
»Da gibts nichts zu erzählen.«
Sie lehnte sich im Stuhl zurück. »Du enttäuschst mich. Was ist mit dem netten Mädchen, das uns damals besucht hat?«
»Welches Mädchen?«
»Hübsch, ernst, aus dem Norden. Hat sich betrunken und deinen Vater wegen der Sandinisten angeschrien.«
»Das war Emma Morley.«
»Emma Morley. Ich mochte sie. Dein Vater auch, obwohl sie ihn einen faschistischen Bourgeois genannt hat.« Dexter verzog bei der Erinnerung daran das Gesicht. »Ich fands nicht schlimm, wenigstens hatte sie ein bisschen Feuer und Leidenschaft. Anders als diese dümmlichen Sexbomben, die wir sonst am Frühstückstisch vorfinden. Ja, Mrs Mayhew, nein, Mrs Mayhew. Ich höre übrigens, wenn du nachts ins Gästezimmer schleichst …«
»Du bist echt hinüber, was?«
»Und was ist jetzt mit Emma?«
»Sie ist nur eine Freundin.«
»Ach ja? Da wäre ich nicht so sicher. Ich glaube eher, sie mag dich.«
»Alle mögen mich. Das ist mein Fluch.«
In seinem Kopf hatte es gut geklungen, verwegen und selbstironisch, aber jetzt saßen sie schweigend da, er kam sich wieder einmal dumm vor, wie auf den Partys, wenn seine Mutter ihn bei den Erwachsenen sitzen ließ, er angab und sie blamierte. Nachsichtig lächelte sie ihn an und drückte ihm die Hand, die auf dem Tisch lag.
»Sei nett, ja?«
»Ich bin nett, ich bin immer nett.«
»Aber nicht zu nett. Ich meine, mach keine Religion draus.«
»Ist gut.« Unbehaglich sah er sich auf der Piazza um.
Alison stupste ihn an. »Möchtest du jetzt noch eine Flasche Wein, oder sollen wir zurück ins Hotel gehen und nach dem Hühnerauge deines Vaters sehen?«
Sie gingen nach Norden durch die Seitengassen, die parallel zur Via del Corso in Richtung der Piazza del Popolo verlaufen, Dexter wählte unterwegs den malerischsten Weg aus, begann sich besser zu fühlen und genoss das Gefühl, sich in einer Stadt gut auszukennen. Beschwipst hing sie an seinem Arm.
»Wie lange willst du denn noch hier bleiben?«
»Weiß nicht. Vielleicht bis Oktober.«
»Aber dann kommst du nach Hause und lässt dich irgendwo nieder, ja?«
»Natürlich.«
»Ich meine, nicht bei uns. Das tu ich dir nicht an. Aber wir könnten dir bei der Anzahlung für eine Wohnung unter die Arme greifen, weißt du?«
»So eilig ist es doch nicht, oder?«
»Na ja, es ist jetzt schon ein ganzes Jahr, Dexter. Wie viel Urlaub brauchst du denn noch? An der Uni hast du dich ja auch nicht gerade totgearbeitet …«
»Ich mach keinen Urlaub, ich arbeite!«
»Was ist mit Journalismus? Hast du nicht was von Journalismus gesagt?«
Er hatte es flüchtig erwähnt, aber mehr als Ablenkungsmanöver und Alibi. Je mehr er auf die zwanzig zuging, desto beschränkter waren die Möglichkeiten geworden. Bestimmte cool klingende Berufe – Herzchirurg, Architekt – waren ihm jetzt für immer verschlossen, und mit Journalismus verhielt es sich anscheinend ähnlich. Dexter war kein berauschender Autor, hatte wenig Ahnung von Politik, sprach schlechtes Restaurant-Französisch, verfügte über keinerlei Ausbildung oder Qualifikationen und hatte im Grunde nur einen Reisepass und ein lebhaftes Bild von sich, wie er in einem tropischen Land rauchend unter einem Deckenventilator auf dem Bett lag, neben sich auf dem Boden eine ramponierte Nikon und eine Whiskyflasche.
Eigentlich wollte er Fotograf werden. Mit sechzehn hatte er ein Fotoprojekt mit dem Titel Strukturen abgeschlossen, das aus lauter Schwarzweißnahaufnahmen von Baumrinde und Muscheln bestanden und seinen Kunstlehrer »umgehauen« hatte. Seither hatte ihn nichts so sehr befriedigt wie Strukturen und jene kontrastreichen Aufnahmen von Frost auf Fensterscheiben und Kies in der Auffahrt. Journalismus bedeutete, sich mit schwierigen Dingen wie Wörtern und Ideen zu befassen, aber er fand, er habe das Zeug zu einem anständigen Fotografen, und sei es auch nur, weil er ein sicheres Gespür dafür hatte, was gut aussah. An diesem Punkt seines Lebens war sein Hauptkriterium für die Wahl eines Berufs, dass er gut klingen musste, wenn man ihn einem Mädchen in einer Bar ins Ohr brüllte, und »Ich bin
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