Zwei an Einem Tag
geschlossenem Mund zurück; ein Stan-Laurel-Lächeln.
»… Sie wird dir das Wichtigste zeigen – und das wars auch schon, Leute. Nicht vergessen! Fischburritos! Und jetzt, Musik, bitte!«
Paddy drückte auf die Playtaste des fettigen Kassettenrekorders hinter der Bar, und die nervtötende 45-minütige, synthetische Mariachimusik-Schleife setzte ein, die passenderweise mit La Cucaracha begann, der Küchenschabe, einem Lied, das sich zwölf Mal pro Achtstundenschicht wiederholte. Zwölf Mal pro Schicht, 24 Schichten pro Monat seit nunmehr sieben Monaten. Emma betrachtete die Baseballkappe in ihrer Hand. Das Restaurantlogo, ein Cartoonesel, glotzte unter seinem Sombrero zu ihr hoch, entweder betrunken oder gaga. Sie setzte sich die Kappe auf und glitt vom Barhocker, als ließe sie sich in Eiswasser gleiten. Der Neue wartete strahlend auf sie, die Finger verlegen in die Taschen seiner schneeweißen Jeans gestopft, und nicht zum ersten Mal fragte sich Emma, was aus ihrem Leben geworden war.
Emma, Emma, Emma. Wie gehts dir, Emma? Und was machst du gerade, in diesem Augenblick? Wir hier in Bombay sind euch sechs Stunden voraus, also liegst du hoffentlich noch mit einem Sonntagmorgenkater im Bett. Wenns so ist: WACH AUF! ICH BINS, DEXTER!
Dieser Brief erreicht dich aus einer Herberge in der Innenstadt von Bombay – komplett mit gruseligen Matratzen und Heerscharen von Australiern auf der Durchreise. In meinem Reiseführer heißt es, sie hätte Charakter, d.h. Ratten, aber in meinem Zimmer gibt es einen kleinen Plastikklapptisch am Fenster, und draußen regnets wie verrückt, sogar schlimmer als in Edinburgh. Es SCHÜTTET WIE AUS EIMERN, Em, so laut, dass ich deine Compilation kaum hören kann, die ich übrigens sehr mag, bis auf das Indie-Geschrammel, schließlich bin ich kein MÄDCHEN. Ich habe auch versucht, die Bücher zu lesen, die du mir zu Ostern geschenkt hast, aber ich muss zugeben, ich finde »Howards End« etwas zäh. Es ist, als würden sie 200 Seiten lang dieselbe Tasse Tee trinken, und ich warte darauf, dass jemand ein Messer zückt, Aliens die Erde erobern oder Ähnliches, aber darauf kann ich lange warten, was? Wann wirst du es endlich aufgeben, mich erziehen zu wollen? Ich hoffe, nie.
Übrigens, falls du es noch nicht an der Exquisiten Prosa und all den GROSSBUCHSTABEN gemerkt hast, ich schreibe dies breit vom mittäglichen Bier! Wie du siehst, bin ich kein so toller Briefschreiber wie du (dein letzter war zum Schreien), deshalb sage ich nur, Indien ist unglaublich. Wie sich herausgestellt hat, war der Rauswurf aus der Englischschule das Beste, was mir passieren konnte (obwohl ich immer noch finde, dass sie überreagiert haben. Moralisch untauglich? Ich? Tove war schon 21). Ich will dich nicht mit lyrischen Ergüssen von Sonnenaufgängen über dem Hindukusch anöden, deshalb begnüge ich mich damit zu sagen, dass alle Klischees wahr sind (Armut, Dünnpfiff, blablabla). Es ist nicht nur eine reiche, uralte Kultur, es ist auch völlig UNGLAUBLICH, was man hier rezeptfrei in der Apotheke kriegt.
Ich habe ein paar erstaunliche Sachen gesehen, nicht alles ist lustig, aber ein Erlebnis, und ich habe tausende von Fotos gemacht, die ich dir ganz, ganz laaaaaaangsam zeigen werde, wenn ich wieder da bin. Tu interessiert, ja? Ich habe schließlich auch Interesse gemimt, als du dich über die Proteste gegen die Einführung der Kopfsteuer ausgelassen hast. Wie auch immer, ich habe ein paar meiner Bilder einer Fernsehproduzentin gezeigt, die ich im Zug kennengelernt habe (nicht, was du wieder denkst, sie ist uralt, Mitte 30), und sie meint, ich hätte Talent. Sie hat hier so eine Art Fernseh-Reisemagazin für junge Leute produziert, mir ihre Visitenkarte gegeben und gesagt, ich soll sie im August anrufen, wenn sie wieder da ist, wer weiß, vielleicht kann ich ja die Recherche übernehmen oder sogar filmen.
Wie siehts denn bei dir jobmäßig aus? Schreibst du an einem neuen Stück? Ich fand dein Virginia-Woolf-Emily-Dingsbums-Stück richtig gut, als ich in London war, und wie gesagt unheimlich vielversprechend, was zwar wie Gelaber klingt, aber keins ist. Trotzdem glaube ich, es war richtig von dir, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen. Nicht, weil du schlecht bist, sondern weil du es ganz offensichtlich hasst. Candy war auch nett, viel netter, als du sie beschrieben hast. Grüß sie von mir. Schreibst du an einem neuen Stück? Wohnst du immer noch in der Abstellkammer? Riecht es in der Wohnung immer noch nach
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