Zwei an Einem Tag
Sie kennenzulernen.«
»Mich auch, Emily.«
»Emma.«
»Natürlich. Emma. Auf Wiedersehen, Emma.«
»Und …« Achselzuckend sah sie Dexter an, während seine Mutter sie nicht aus den Augen ließ. »Tja, ein schönes Leben noch, schätze ich.«
»Dir auch. Ein schönes Leben noch.«
Sie drehte sich um und ging. Die Mayhew-Familie sah ihr nach.
»Dexter, sag doch – kommen wir ungelegen?«
»Nein. Überhaupt nicht. Emma ist nur eine Freundin.«
In sich hineinlächelnd musterte Alison ihren gutaussehenden Sohn eindringlich, nahm dann sein Anzugrevers in beide Hände und zupfte ihm sanft das Jackett zurecht.
»Dexter – hattest du das nicht gestern schon an?«
Und so schlenderte Emma Morley im Abendlicht nach Hause, ihre Enttäuschung im Schlepptau. Es kühlte langsam ab, sie fröstelte, und plötzlich lief ihr ein unerwarteter, heftiger Angstschauer den Rücken hinunter, so dass sie einen Moment stehenbleiben musste. Zukunftsangst, dachte sie. Sie stand an der eindrucksvollen Kreuzung von George Street und Hanover Street, während um sie herum die Menschen von der Arbeit nach Hause eilten oder auf dem Weg zu Freunden und Geliebten waren, und alle hatten ein Ziel, eine Richtung vor Augen. Aber sie stand hier mit ihren 22 Jahren, ratlos, auf dem Weg zurück in eine schäbige Wohnung, wieder einmal gescheitert.
»Was willst du mit deinem Leben anfangen?« Ihr kam es vor, als sei ihr die Frage schon ihr ganzes Leben lang gestellt worden; von Eltern, Lehrern, von Freunden um drei Uhr morgens, aber nie war sie ihr dringlicher vorgekommen als jetzt, und trotzdem war sie der Antwort keinen Deut näher gekommen. Die Zukunft baute sich drohend vor ihr auf, eine Aneinanderreihung leerer Tage, einer beängstigender und ungewisser als der nächste. Wie sollte sie sie je nur alle ausfüllen?
Sie ging weiter nach Süden auf The Mound zu. Der konventionelle Ratschlag lautete »Lebe jeden Tag, als ob es dein letzter wäre«, aber wer hatte schon die Kraft dazu? Was, wenn es regnete oder man kränkelte? Es war einfach nicht machbar. Da war es weit besser, sich zu bemühen, gut, mutig und unerschrocken zu sein und etwas zu verändern. Vielleicht nicht gleich die ganze Welt, nur das kleine Stück um dich herum. Geh da raus mit deiner Leidenschaft und der elektrischen Schreibmaschine und arbeite hart … woran auch immer. Vielleicht das Leben mithilfe der Kunst zu verändern. Schreib etwas Schönes. Kümmer dich um deine Freunde, bleib deinen Prinzipien treu, leb dein Leben gut, leidenschaftlich und in vollen Zügen. Mach neue Erfahrungen. Liebe und werde geliebt, wenn es irgendwie geht.
Das war die grobe Theorie, auch wenn sie keinen guten Start gehabt hatte. Mit kaum mehr als einem Achselzucken hatte sie sich von jemandem verabschiedet, den sie wirklich mochte, der erste Mann, der ihr je etwas bedeutet hatte, und jetzt musste sie sich mit der Tatsache abfinden, dass sie ihn wohl nie wiedersehen würde. Sie hatte weder seine Telefonnummer noch seine zukünftige Adresse, und selbst wenn, welchen Unterschied hätte es gemacht? Er hatte sie auch nicht nach ihrer Nummer gefragt, und sie war zu stolz, um sich unter die Frauen einzureihen, die ihn anhimmelten und unerwünschte Nachrichten hinterließen. Ein schönes Leben noch waren ihre Abschiedsworte gewesen. Was Besseres war ihr nicht eingefallen?
Sie ging weiter. Als das Schloss in Sicht kam, hörte sie Schritte hinter sich, das Geräusch von schicken Schuhen, die hart auf das Pflaster trommelten, und noch bevor sie ihren Namen hörte und sich umdrehte, lächelte sie, weil sie wusste, wer es war.
»Ich dachte schon, ich hätte dich verloren!«, sagte er, ging langsamer, und versuchte keuchend und mit hochrotem Kopf, seine Lässigkeit wiederzugewinnen.
»Nein, ich bin hier.«
»Tut mir leid, wies gelaufen ist.«
»Nein, wirklich, kein Problem.«
Er hatte die Hände auf die Knie gestützt und schnappte nach Luft. »Ich hatte meine Eltern erst später erwartet, und dann sind sie aus heiterem Himmel aufgetaucht, und ich war abgelenkt, und dann ist mir plötzlich aufgefallen … ist mir plötzlich aufgefallen, dass ich keine Möglichkeit habe, dich zu kontaktieren.«
»Ah. Okay.«
»Also – schau. Ich habe keinen Stift. Hast du einen? Du musst doch einen haben.«
Sie hockte sich hin und durchwühlte die Picknickreste im Rucksack. Finde einen Stift, bitte, hab einen Stift, du musst doch einen Stift haben …
»Hurra! Ein Stift!«
» Hurra?« Hast du sie noch alle, du
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