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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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oben, aber das unauffällige Reihenhaus unterscheidet sich in nichts von den anderen, und Dexter beginnt am Sinn und Zweck dieser Expedition zu zweifeln, ein rührseeliges, krankhaftes und sentimentales Unternehmen. Was hatte er sich davon erhofft? Nichts ruft Erinnerungen wach, und das nostalgische Vergnügen hält sich in Grenzen. Kurz überlegt er, die Sache abzublasen, Maddy anzurufen und sich früher mit ihr zu treffen, aber Jasmine deutet auf das Ende der Straße, die Granitwand, die sich jäh über dem Wohngebiet erhebt.
    »Was ist das?«
    »Das sind die Salisbury Crags. Da gehts zu Arthur’s Seat.«
    »Da oben sind Leute!«
    »Man kann raufklettern. Es ist nicht schwierig. Was meinst du? Sollen wirs versuchen? Glaubst du, du schaffst das?«
    Sie gehen zum Holyrood Park. Es deprimiert ihn, zu sehen, wie seine siebeneinhalbjährige Tochter den Bergpfad weit müheloser erklimmt als ihr Vater und nur hin und wieder stehen bleibt, um ihn auszulachen, während er schnaufend und schwitzend zurückbleibt.
    »Meine Schuhe sind zu glatt«, verteidigt er sich, und sie gehen weiter, verlassen den Hauptpfad und klettern über Felsbrocken, bis sie schließlich auf das überwucherte, rostrote Plateau auf dem Gipfel von Arthur’s Seat treten. Dort stoßen sie auf die Steinsäule, die den höchsten Punkt markiert, und in der vagen Hoffnung, seine eigenen Initialen zu entdecken, inspiziert er die Kritzeleien; »Kampf dem Faschismus«, »Alex M. 5.5.’07«, »Fiona für immer«.
    Um Jasmine von den obszöneren Graffitis abzulenken, hebt er sie hoch und setzt sie auf die Säule, legt ihr einen Arm um die Taille und zeigt ihr die Sehenswürdigkeiten. »Da ist das Schloss, gleich neben dem Hotel. Da ist der Bahnhof. Das da drüben ist der Firth of Forth, der in die Nordsee fließt. Da drüben liegt irgendwo Norwegen. Leith, das ist die New Town, wo ich gewohnt habe. Vor zwanzig Jahren, Jas. Im letzten Jahrtausend. Und das da drüben mit dem Turm ist Calton Hill. Da können wir heute Nachmittag auch raufsteigen, wenn du magst.«
    »Bist du nicht zu müde?«, fragt sie boshaft.
    »Ich? Du machst wohl Witze. Ich bin der geborene Athlet.« Jasmine äfft sein Schnaufen nach und greift sich an die Brust. »Komikerin.« Er hebt sie von der Säule, tut, als wolle er sie den Berg hinunterwerfen und klemmt sich seine lachende, kreischende Tochter unter den Arm.
    Etwas unterhalb des Gipfels finden sie eine Mulde mit Aussicht auf die Stadt. Er legt sich hin und bettet den Kopf auf die Hände, während Jasmine sich neben ihn setzt, konzentriert Chips mit Salz-und Essiggeschmack isst und Saft trinkt. Die Sonne scheint ihm warm ins Gesicht, aber das frühe Aufstehen fordert seinen Tribut, Minuten später ist er kurz vor dem Einnicken.
    »Ist Emma auch hier gewesen?«, will Jasmine wissen.
    Dexter macht die Augen auf und stützt sich auf die Ellbogen.
    »Ja. Wir waren zusammen hier. Ich habe ein Foto davon zu Hause. Ich zeigs dir. Da war Daddy noch ganz dünn.«
    Jasmine bläst die Backen auf und leckt sich dann das Salz von den Fingern. »Fehlt sie dir?«
    »Wer? Emma? Natürlich. Jeden Tag. Sie war meine beste Freundin.« Er stupst sie mit dem Ellbogen. »Warum, dir auch?«
    Jasmine runzelt die Stirn und überlegt. »Ich glaub schon. Aber ich war noch so klein, ich weiß gar nicht mehr genau, wie sie aussah, außer wenn ich Fotos angucke. Ich erinnere mich an die Hochzeit. Sie war nett, nicht?«
    »Sehr nett.«
    »Und wer ist jetzt deine beste Freundin?«
    Er legt seiner Tochter eine Hand in den Nacken, den Daumen in die Kuhle. »Du natürlich. Wieso, wer ist dein bester Freund?«
    Sie überlegt lange mit gerunzelter Stirn. »Phoebe, glaube ich«, sagt sie und saugt geräuschvoll am Strohhalm des leeren Saftpäckchens.
    »Du bist ’ne echte Landplage, weißt du«, sagt er, und sie lacht mit dem Strohhalm zwischen den Lippen. »Komm her«, knurrt er, schnappt sie sich und zieht sie nach hinten, so dass sie in seiner Armbeuge liegt, den Kopf an seiner Schulter. Kurz darauf ist sie still, und Dexter macht die Augen wieder zu und fühlt die Vormittagssonne auf den Lidern.
    »Schöner Tag«, murmelt er. »Kein Regen. Noch nicht«, und wieder ist er kurz vor dem Einnicken. Er riecht das Hotelshampoo in Jasmines Haar, an seinem Hals spürt er ihren langsamen, gleichmäßigen Atem, der nach Salz und Essig riecht, während er allmählich eindämmert.
    Nach vielleicht zwei Minuten Schlaf rammt sie ihm die knochigen Ellbogen in die Brust.
    »Dad? Mir

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