Zwei an Einem Tag
tänzelt auf den Zehenspitzen wie ein Preisboxer.
»Ich hab aus Versehen deine Flasche erwischt.«
»NA UND? WISCH SIE AB!«
Noch zehn Sekunden, das Publikum schreit und applaudiert, die Tänzerinnen halten sich an den Käfigstäben fest und fangen an, die Hüften kreisen zu lassen, während Suki die Flasche an die Lippen führt.
Sieben, sechs, fünf …
Er greift nach der Flasche, aber sie wehrt ihn lachend ab.
»FINGER WEG, DEXTER, DU HAST SELBST EINE!«
Vier, drei, zwei …
»Aber das ist kein Wasser«, sagt er.
Sie trinkt.
Der Vorspann wird eingespielt.
Mit hochrotem Gesicht hustet und spuckt Suki, während Gitarren aus den Lautsprechern wummern, Trommeln dröhnen, die Go-Go-Tänzerinnen sich winden, und von der hohen Decke kommt über die Köpfe des Publikums eine Kamera an Drähten herangeschwebt wie ein Raubvogel, so dass es für die Zuschauer zu Hause aussieht, als jubelten 300 junge Leute einer attraktiven Frau zu, die würgend auf einem Gerüst steht.
Die Musik verstummt, und bis auf Sukis Husten herrscht Totenstille. Wie erstarrt, gelähmt, vom Donner gerührt verursacht Dexter live on air betrunken eine Bruchlandung. Das Flugzeug stürzt ab, die Erde rast auf ihn zu. »Sag was, Dexter«, wispert eine Stimme in seinem Ohr. »Hallo? Dexter? Sag was«, aber Gehirn und Mund versagen ihm den Dienst, es hat ihm in jeder Hinsicht die Sprache verschlagen. Sekunden werden zu Stunden.
Zum Glück ist Suki ein echter Profi und wischt sich den Mund ab. »DAS IST DER BESTE BEWEIS, DASS WIR WIRKLICH LIVE SENDEN!«, und das Publikum lacht nervös und erleichtert. »LÄUFT DOCH PRIMA BIS JETZT, ODER, DEX?« Sie piekst ihn in die Rippen, und er erwacht aus der Erstarrung.
»War nur Spaß, das mit Suki …«, sagt er. »In der Flasche ist Wodka!«, und er macht eine komische kleine Geste mit dem Handgelenk, die heimliches Trinken andeuten soll, wieder wird gelacht, und er fühlt sich besser. Suki lacht auch, stößt ihn in die Rippen, hebt die Faust und sagt: »Pass bloß auf, du …« Eine Nummer wie aus einem Stooges-Film, und nur er bemerkt die Verachtung hinter der Flippigkeit. Er klammert sich an die Sicherheit des Teleprompters.
»Willkommen bei Sperrstunde, ich bin Dexter Mayhew …«
»… UND ICH BIN SUKI MEADOWS!«
Und sie sind wieder auf Kurs, sagen das Programm für den Abend an – eine Mischung aus großartiger Comedy und Musik – attraktiv und anziehend wie die beiden coolsten Kids der Schule. »Und jetzt bitte einen Riesenapplaus …« Er wirft den Arm nach hinten wie ein Zirkusdirektor, »… und ein herzliches Sperrstunden- Willkommen für Shed! Seven!«
Die Kamera schwenkt, als hätte sie das Interesse verloren, und die plappernden Stimmen aus der Regie in seinem Kopf übertönen die Musik. »Alles klar da unten, Suki?«, fragt der Regisseur. Flehentlich sieht Dexter Suki an. Sie schaut ihn auch an, ihre Augen sind schmal. Sie könnte es ihnen erzählen: Dexter ist zugedröhnt, betrunken, der Mann ist ein Wrack, ein unzuverlässiger Amateur.
»Alles in Ordnung«, sagt sie. »Hab mich nur verschluckt.«
»Wir schicken dir jemanden aus der Maske. Noch zwei Minuten, Leute. Und Dexter, reiß dich zusammen, ja?«
Ja, reiß dich zusammen, sagt er sich, aber der Monitor verrät ihm, dass er noch 56 Minuten und 22 Sekunden durchhalten muss, und er ist sich nicht sicher, ob er das schafft.
Applaus! Applaus, wie sie noch keinen gehört hat, hallt von den Wänden der Turnhalle wider. Zugegeben, die Band hat schief gespielt, und die Sänger haben zu hoch gesungen, und ja, es gab ein paar technische Probleme mit fehlenden Requisiten und zusammenbrechendem Bühnenbild, und natürlich gibt es kein dankbareres Publikum, trotzdem, es ist ein Triumph. Der Tod von Nancy hat selbst Mr Routledge, Chemie, zum Heulen gebracht, und die Verfolgungsjagd über die Dächer von London, bei der man nur die Silhouetten der Darsteller sah, war ein spektakuläres Bravourstück, das mit Ahs und Ohs bestaunt wurde wie ein Feuerwerk. Wie vorhergesagt hat Sonya Richards geglänzt, und Martin Dawson muss zähneknirschend hinnehmen, dass sie den längsten Applaus einheimst. Es gab Ovationen und Zugaben, die Zuschauer trampeln jetzt, hängen vom Klettergerüst, Emma wird von Sonya auf die Bühne gezerrt, und Sonya weint, weint wirklich und wahrhaftig, klammert sich an ihre Hand und sagt, gut gemacht, Miss, unglaublich, unglaublich. Eine Schulaufführung ist der kleinste vorstellbare Triumph, aber das Herz hämmert ihr in
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